Start der Kampagne „Widerspruch wagen! Gegen die rechtswidrige Befristung von Hilfen“
18.09.2024
Das Bundesnetzwerk Ombudschaft in der Jugendhilfe positioniert sich mit der Kampagne
"Widerspruch wagen! - Gegen die rechtswidrige Befristung von Hilfen" gegen die immer wieder vorfindbare Praxis von Jugendämtern, im Einzelfall ihre
Kostenzahlungspflichten von einmal bewilligten Erziehungshilfen (§§ 27 ff. SGB VIII) zu umgehen: Sowohl durch die Befristung von Bewilligungsbescheiden als auch durch die Einstellung der
Kostentragung nach Ablauf der Befristung trotz eines, in der Regel fortbestehenden Hilfebedarfs.
Dabei ist die Befristung von Hilfen mit dem Sozialverwaltungsrecht in der Regel nicht vereinbar. Dies wurde von der Rechtsprechung bestätigt (vgl. BVerwG 9.12.2015 – 6 C 37.14; vgl.
BSG-Urteil 28.01.2021, B 8 SO 9/19 R.). Hilfen sind daher in der Regel als Dauerverwaltungsakt, d.h. unbefristet zu gewähren. Die Überprüfung der Geeignetheit und Notwendigkeit der Hilfe
erfolgt im Rahmen des Hilfeplanverfahrens nach § 36 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII.
Obwohl andere Verfahren der geltenden Rechtslage widersprechen,ist
das Problem rechtswidriger Befristungen von Hilfen zur Erziehung (HzE) immer wieder Inhalt ombudschaftlicher Beschwerden von jungen Menschen und Familien und tritt bundesweit auf.
Aus diesem Grund hat sich das Bundesnetzwerk Ombudschaft in der Jugendhilfe e.V. entschlossen, mit einer Kampagne über die Rechtswidrigkeit von Befristungen aufzuklären. Mit der Veröffentlichung
von fachlichen Information werden bundesweit Fachkräfte und Akteur*innen der Kinder- und Jugendhilfe dazu aufgerufen, gemeinsam für die Sicherung und den Erhalt der
Rechtsstaatlichkeit in der Kinder- und Jugendhilfe einzutreten und junge Menschen und Familien zu unterstützen, ihre Ansprüche auf eine rechtmäßige Leistungsbewilligung (der HzE)
durchzusetzen.
Keine Kostenauferlegung auf Pflegeeltern in einem Kindeswohlgefährdungsverfahren
1. Zur Beschwerdebefugnis von Pflegeeltern gegen eine erstinstanzliche Kostenentscheidung in einem Kindeswohlgefährdungsverfahren, durch welche die Kosten des Verfahrens
gegeneinander aufgehoben wurden.
2. Der Grundsatz, dass im Kindschaftsverfahren in der Regel die Kostenaufhebung der Billigkeit entspricht, ist nicht ohne weiteres auf Verfahren zu übertragen, bei denen neben
den Eltern weitere Personen oder Institutionen formal und/oder konkludent am Verfahren beteiligt sind. Dies betrifft insbesondere Verfahren, bei denen kinderschutzrechtliche
Maßnahmen zu (über)prüfen und an denen neben dem Jugendamt häufig auch Pflegeeltern beteiligt sind.
3. Eine Kostenlast der Pflegeeltern entspricht in der Regel nach § 81 FamFG nicht billigem Ermessen.
Verfahrensgang
vorgehend AG Mannheim, 4. Oktober 2023, 6 F 2173/22, Beschluss
Anspruch auf Zahlung der Kosten für Kindetagesförderung über Pflegegeldpauschalen hinaus
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 27. Oktober 2022
Az. 5 C 4.21
Der Kläger, Jugendamt der Stadt E, war bis Februar 2020 Amtsvormund für ein im Januar 2013 geborenes Kind. Der in der beklagten Stadt A lebenden Mutter war kurz
nach der Geburt die elterliche Sorge entzogen wurde. Im März 2013 kam das Kind in Vollzeitpflege in der Sonderpädagogischen Pflegestelle einer Diakonie der Stadt E. Diese schloss mit der
Beklagten im März 2013 einen Vertrag ab, in welchem sie sich zur Betreuung des Kindes und die Beklagte sich zur Zahlung von Pflegegeld nach § 39 SGB VIII verpflichtete. Nachdem der Kläger als
Vormund eingesetzt worden war, bewilligte ihm die Beklagte in einem Bescheid die Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege.
Ab August 2015 besuchte das Kind eine Kindertagesstätte in der Stadt E. Die Beiträge für die Kindertagesbetreuung übernahmen zunächst die Pflegeeltern. Die Beklagte
leistete weiterhin Hilfe zur Erziehung, lehnte den Antrag der Diakonie auf Übernahme der Beiträge für die Betreuung jedoch ab, woraufhin E Klage erhob. Gegen das Urteil des
Oberverwaltungsgerichts, das den Anspruch bejahte, legte die Beklagte erfolglos Revision ein.
Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts folgt ein Anspruch der Stadt E gegen die Beklagte auf Zahlung der Kosten für die Kindestagesförderung über die
gewährte Unterhaltspauschale hinaus aus § 86c Abs. 1 S. 1 SGB VIII in Verbindung mit den §§ 27, 33 S. 2 und § 39 Abs. 1, 2 S. 1 SGB VIII sowie dem Bewilligungsbescheid der Beklagten vom Dezember
2014.
§ 86c Abs. 1 S. 1 SGB VIII regelt, dass im Fall des Wechsels der örtlichen Zuständigkeit für eine Leistung der bisher zuständige örtliche Träger noch zur Gewährung
der Leistung verpflichtet ist, bis der neu zuständige Träger diese fortsetzt. Die Voraussetzungen dieser Norm seien hier erfüllt. Zudem sei die Beklagte sowohl aus dem Vertrag mit der Diakonie
als auch nach den gesetzlichen Regelungen selbst dazu verpflichtet gewesen, die Unterhaltsleistungen für das Pflegekind zu gewährleisten, die den Personensorgeberechtigten gegebenenfalls noch
nach den §§ 27, 33 i. V. m. § 39 SGB VIII zustehen.
Dem Anspruch stehe auch nicht entgegen, dass § 39 Abs. 4 S. 3 SGB VIII in der Regel Pauschalbeträge vorsieht. Die Kosten der Kindertagesbetreuung gehören als
Sachaufwand zum notwendigen Unterhalt des Kindes nach § 39 Abs. 1 SGB VIII. Entgegen der Ansicht der Beklagten könne der gesetzlichen Regelung nicht entnommen werden, dass der Pauschalbetrag
stets als abschließende und umfassende Deckung des Regelbedarfs anzusehen sei. Ziel der Vorschrift sei, dass die am tatsächlichen Lebensbedarf orientierte Hilfe im Regelfall zu pauschalieren ist,
nicht aber notwendig alle Kostenpositionen von der Pauschalierung erfasst sein müssen. Das Absehen von der Pauschalierung könne etwa dann gerechtfertigt sein, wenn bestimmte Teile des Bedarfs dem
Grunde oder der Höhe nach nicht typisierbar sind. Der Besuch der Tageseinrichtung entzieht sich einer typisierenden Betrachtung, weil sich die von den Pflegeeltern zu leistenden Beiträge zwischen
den Kommunen erheblich unterscheiden.
Somit habe die Beklagte zwar stets die Pauschalleistungen für den Unterhalt des Kindes erbracht, den Anspruch des Klägers hätte sie nach dem Sinn und Zweck des
Gesetzes jedoch nur erfüllt, wenn es sich um Positionen handelt, die einer realitätsnahen Pauschalierung zugänglich sind und bei der Bemessung der Pauschalsätze berücksichtigt worden sind. Diese
Voraussetzungen seien vorliegend nicht erfüllt. Die Beiträge für die Kindertagesbetreuung seien bei der Bemessung der Pauschalsätze nicht berücksichtigt worden, sodass weiterhin ein Anspruch des
Klägers auf Zahlung bestehe.
Abschaffung der Kostenheranziehung von jungen Menschen in der Kinder- und Jugendhilfe
Der Bundestag hat am 11. November 2022 in zweiter und dritter Lesung den Gesetzentwurf zur Abschaffung der Kostenheranziehung für junge Menschen im SGB VIII
beschlossen.
Bisher wurden junge Menschen in der Kinder- und Jugendhilfe, die in einer Pflegefamilie oder einer Einrichtung oder sonstigen Wohnform der Kinder- und Jugendhilfe
lebten und die ein eigenes Einkommen hatten, zu den Kosten der Leistung der Kinder- und Jugendhilfe aus ihrem Einkommen herangezogen. Dies galt auch für alleinerziehende Mütter oder Väter mit
ihrem Kind, die in einer gemeinsamen Wohnform untergebracht waren (§19 SGB VIII). Der Kostenbeitrag konnte bis zu 25 Prozent des Einkommens betragen. Auch die Ehegatten und Lebenspartner der
jungen Menschen und Leistungsberechtigten nach § 19 SGB VIII wurden abhängig von der Höhe ihres Einkommens zu den Kosten aus ihrem Einkommen herangezogen.
Das Gesetz sieht nun vor, die Kostenheranziehung bei jungen Menschen und Leistungsberechtigten nach § 19 SGB VIII sowie für ihre Ehegatten und Lebenspartner
aufzuheben. Dadurch könnten die jungen Menschen und Leistungsberechtigten sowie ihre Ehegatten und Lebenspartner vollständig über das Einkommen, das sie erzielen, verfügen.
Der zur Anhörung vorgelegte Gesetzesentwurf wies bei der Ermöglichung von Teilhabe junger Menschen, die in einer Einrichtung oder Pflegefamilie leben und
gleichzeitig eine Berufsausbildungsbeihilfe nach § 56 SGB III oder Ausbildungsgeld nach § 122 SGB III erhalten, eine Lücke auf. Nach bisheriger Regelung müssen diese jungen Menschen ihre
kompletten Bezüge aus diesen Leistungen für die Kostenheranziehung einsetzen.
Durch die in einem Änderungsantrag hinzugefügten Änderungen in § 93 Absatz 1 Satz 3 SGB VIII wird die Lücke geschlossen und jungen Menschen in prekären Lebenslagen
eine Chance für ihre finanzielle Selbstbestimmung eröffnet.
Am 16. Dezember 2022 steht das Gesetz auf der Tagesordnung des Bundesrates und es soll zum 1. Januar 2023 in Kraft treten.
Referentenentwurf eines Gesetzes zur Abschaffung der Kostenheranziehung von jungen Menschen in der Kinder- und Jugendhilfe
In der Kinder- und Jugendhilfe werden junge Menschen, die in einer Pflegefamilie oder einer Einrichtung oder sonstigen Wohnform der Kinder- und Jugendhilfe leben
und die ein eigenes Einkommen haben, zu den Kosten der Leistung der Kinder- und Jugendhilfe aus ihrem Einkommen herangezogen. Sie haben bis zu 25 % ihres
Einkommens als Kostenbeitrag einzusetzen. Der Referentenentwurf sieht nun einen vollständigen Verzicht auf die Kostenheranziehung vor. Bis Ende Juni konnten die
Verbände ihre Stellungnahmen zum Entwurf abgeben.
Qualitätsstandards Beistandschaft
Der überregionale Arbeitskreis der Beistände in NRW und die Landschaftsverbände Westfalen-Lippe und Rheinland haben eine gemeinsame Arbeits- und Orientierungshilfe für den Fachdienst
Beistandschaft zum Volljährigenunterhalt ab dem 1. Januar 2022 aufgelegt. Um dem Rechtsanspruch junger Volljähriger gerecht werden zu können, muss der Fachdienst Beistandschaft im Rahmen der
Beratung und Unterstützung nach § 18 Abs. 4 SGB VIII die Unterhaltsansprüche kennen und vermitteln können. Wegen der nicht einheitlichen Rechtsprechung und unterschiedlichen Meinungen in
Kommentaren, Fortbildungen und Fachzeitschriften, hat der überregionale Arbeitskreis der Beistände in NRW diese Arbeits- und Orientierungshilfe entwickelt, die ein einheitliches Arbeiten
ermöglichen und die praktische Arbeit erleichtern soll. Neben den gesetzlichen Grundlagen werden detaillierte Informationen gegeben unter anderen zu Rangfolge des Unterhalts, Bedarf und
Berechnung. Es folgen umfangreiche Berechnungsbeispiele unterschiedlicher Unterhaltskonstruktionen als Orientierungshilfe.
Positionspapier der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe (AGJ) zur Weiterentwicklung eines inklusiven SGB VIII – Inklusion gestalten!
Die AGJ hat im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes im Sommer 2021 und der Reform des SGB VIII ein Positionspapier zur fachlichen und organisatorischen
Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe vorgelegt, welches Optionen zur schrittweisen Umsetzung eines inklusiven SGB VIII aufzeigt und Empfehlungen ausspricht. Thematisiert werden durch die
inklusive Ausrichtung notwendige Anforderungen an Information, Beratung und Partizipation, an die Kooperation mit der Eingliederungshilfe, an den Kinderschutz sowie an die Jugendhilfeplanung und
Qualitätssicherung. Zudem werden die Vorgaben zur Verbesserung der (zunächst) weiterbestehenden Schnittstelle zwischen SGB VIII und SGB IX-2. Teil und die neu einzurichtenden Stellen der
Verfahrenslotsen aufgegriffen.
Impulspapier zum Kinder- und Jugendstärkungsgesetz aus juristischer Sicht
Der AFET-Bundesverband für Erziehungshilfe e.V. hat ein Impulspapier zur fachlichen Diskussion zum Kinder- und Jugendstärkungsgesetz veröffentlicht. Beleuchtet werden die verschiedenen Ansätze
des Gesetzes zur Stärkung von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien. Dabei wird die Stärkung der Kinder und Jugendlichen sowie ihrer Familien durch subjektive Rechtsansprüche, die Stärkung von
Strukturen durch Erweiterung objektiver Rechtspflichten, sowie der Schutz von Kindern und Jugendlichen durch Beschwerdemöglichkeiten behandelt. Außerdem wird die Stärkung von Kooperation durch
gesetzliche Regelung und die Stärkung von guter Fachlichkeit durch offene Rechtsbegriffe hinterfragt. Als Fazit wird das neue SGB VIII als moderne, bedarfsgerechte und sogar zukunftsweisende
Grundlage für gute fachliche Arbeit gesehen.
Allianz gegen Gewalt und Vernachlässigung und deren Folgen - eine Workshopkonferenz
Liebe Interessierte,
aktuelle Studienergebnisse und Erfahrungsberichte aus dem Kinder- und Jugendschutz sowie der Familienhilfe unterstreichen, was bereits vor dem Beginn der Pandemie deutlich
war:
Gewalt, Vernachlässigung, Misshandlung und Missbrauch in Kindheit und Jugend geht uns alle etwas an.
Daher haben wir uns mit sieben Projekten in einem vom BMBF geförderten Netzwerk zusammengeschlossen und forschen seit 2019 an deutschlandweit insgesamt 30 universitären und
außeruniversitären Einrichtungen zu dem Thema „Verhaltensstörungen im Zusammenhang mit Gewalt, Vernachlässigung, Misshandlung und Missbrauch in Kindheit und Jugend" Mehr Informationen. Ein Fokus unserer
Forschungsarbeit liegt auf der Entwicklung und Evaluation neuer, evidenzbasierter Behandlungs- und Präventionsmethoden.
Um die Vernetzung unserer Forschungsarbeit mit den praktisch tätigen Berufsgruppen, den Betroffenen und auch den politischen Entscheidungsträger:innen zu stärken, planen wir für
den 13. September 2022 in Berlin die interdisziplinäre Workshopkonferenz "Gemeinsam stark! Allianz gegen Gewalt und Vernachlässigung und deren Folgen".
Herzlich möchten wir Sie - Betroffene, Expert:innen und Fachleute - zu unserer Workshopkonferenz
"Gemeinsam stark! Allianz gegen Gewalt und Vernachlässigung und deren Folgen“ am 13. September 2022 in Berlin einladen.
Wir freuen uns darauf, mit Ihnen an diesem Tag in unterschiedlichen praxisnahen Formaten (Workshops, Zukunftswerkstätten, Open Space) zusammen zu kommen, uns auszutauschen, und
voneinander zu lernen. Unser Ziel ist es, die Unterstützung für Betroffene durch bessere Zusammenarbeit effizienter zu gestalten und mögliche Maßnahmen dafür zu formulieren.
Unsere Vision ist, dass wir durch die Konferenz und die Vernetzung mit Ihnen gemeinsam eine nachhaltige „Allianz gegen Gewalt“ etablieren.
Für das Forschungsnetzwerk,
Prof. Sabine Herpertz, Prof. Babette Renneberg und Prof. Regina Steil
Fachtagung für Pflege- und Adoptiveltern des Kreises Wesel am 27.08.2022
Referent*in: Oliver Hardenberg und Nevim Krüger
Die Pflegeeltern des Kreises Wesel laden
ein.
Für weitere Informationen und Anmeldung nehmen Sie bitte Kontakt mit uns auf.
FASD – Sind die Mütter der Ursprung aller Probleme?
Von moralischer Überlegenheit und Stigmatisierung!
Um es gleich vorwegzunehmen: NEIN, die Mütter sind nicht der Ursprung aller Probleme in Bezug auf FASD! Sie sind aus der natürlichen Begebenheit heraus die Verursacher und diese Last kann ihnen
erst einmal niemand nehmen.
Erfreulicherweise rückt das Thema FASD immer weiter in den Fokus der Öffentlichkeit. Damit einhergehend bleibt es nicht aus, dass die Entstehung dieser Behinderung ebenfalls detailliert erklärt
wird. Nämlich, dass FASD durch den vorgeburtlichen Konsum von Alkohol entsteht und das ungeborene Kind schwer schädigen kann.
Alkohol ist die Volksdroge Nummer 1. Zu allen Gelegenheiten präsent und immer zu haben. In unserer Kultur stößt es eher auf Verwunderung nicht zu trinken, als das bereits zum Frühstück mit Sekt
angestoßen wird. In der Werbung vermittelt Alkohol Geselligkeit, Freiheit, Entspannung und Genuss. Wer kennt sie nicht, die Empfehlung von Ärzt*innen, dass ein Sekt den Kreislauf ankurbelt und
Rotwein so gesund ist, ja sogar beim Abnehmen helfen soll.
In Deutschland geben 26 von 100 Frauen an, gelegentlich Alkohol in der Schwangerschaft zu trinken (The Lancet Global Health). Während der ersten 14 Tage der Schwangerschaft soll das
Alles-oder-Nichts-Prinzip gelten, sprich wird eine Eizelle in der Frühschwangerschaft geschädigt, teilt sie sich nicht weiter und nistet sich auch nicht ein. In den meisten Fällen wird eine
Schwangerschaft jedoch erst später festgestellt und wenn dann Alkohol konsumiert wird, kann er eben das entstehende Kind bereits schädigen; je nach Menge, Veranlagung und allgemeiner Verfassung
der Mutter. Es kann also jede Frau treffen, die nicht kategorisch auf Alkohol verzichtet im gebärfähigen Alter. Dann gibt es Frauen, die sind tatsächlich alkoholabhängig und können gar nicht ohne
Hilfe frei entscheiden, ob sie aufhören zu trinken oder nicht. Für den Konsum von Alkohol in der Schwangerschaft gibt es viele Gründe und wenn es richtig ungünstig läuft, reicht ein Glas zur
falschen Zeit. Sicher ist, dass Alkohol trinkende Schwangere keineswegs ein Unterschichtenphänomen darstellen.
Nun kommen einige Kinder mit vorgeburtlichen Schäden auf die Welt und die allermeisten Familien bringen die Entwicklungsverzögerungen, Impuls- und Regulationsstörungen, vielleicht sogar die
fazialen Auffälligkeiten, Distanzlosigkeit, die geringe Gefahreneinschätzung und Frustrationstoleranz, die Gedeih- und Essstörungen uvm. überhaupt nicht mit dem Alkohol während der
Schwangerschaft in den Zusammenhang. Ein großer Teil der Frauen geht davon aus, dass es ausreichend war, nach Kenntnis über die Schwangerschaft, auf Alkohol verzichtet zu haben. Gott sei
Dank ist das in vielen Fällen auch so; leider nicht immer.
Die FASD ist mittlerweile mit ihren vielen Facetten bei immer mehr Pädiatoren*innen, Kinderpsycholog*innen und Ärzt*innen angekommen und die Frage: „Haben Sie während der Schwangerschaft
getrunken?“ wird immer öfter gestellt. Wie muss sich eine Mutter fühlen? Schuldig, hilflos, ausgeliefert, beschämt? Es erfordert schon eine gewisse Stärke, Mut und natürlich Liebe, hier
wahrheitsgemäß zu antworten. Die Wahrheit ist ein großer Baustein für eine fundierte Diagnose. Und eine Diagnose ist die größte Chance, die ein Kind mit FASD erhalten kann. Nur die korrekte
Diagnose öffnet das Tor für die richtigen Therapien (oder eben auch nicht!) sowie den schützenden, fördernden Umgang mit der Behinderung. Ein großer Teil der Kinder mit FASD lebt in Pflege- oder
Adoptivfamilien. Diesen Familien fällt der Schritt zur Diagnose deutlich leichter. Sie müssen nichts eingestehen und haben somit auch keine „Schuld“ auf sich geladen. Des Weiteren erhalten
Pflegefamilien grundsätzlich bereits Hilfe durch Jugendämter bzw. Eingliederungshilfe.
Dieser Beitrag soll niemanden glorifizieren oder abwerten. Er soll dazu beitragen, die leiblichen Mütter aus der Schuld-und Scham-Schublade hin in die gemeinsame Verantwortung zu begleiten. Sie
brauchen kein Getuschel hinterm Rücken, sie brauchen kein Mitleid, sie brauchen keine gerümpfte Nase und sie brauchen auch keine Lobdudelei. Sie brauchen vor allem Akzeptanz, Hilfen für ihre
Kinder, Wertschätzung und die Unterstützung im Alltag, die den Kindern und ihnen ein gutes Leben ermöglicht. Sie brauchen die Chance auf Vernetzung, Gehör und eine Öffentlichkeit, die ermutigt.
Den Kindern sollte schon früh Raum für ihre Verarbeitung von Wut und Verzweiflung über ihre Behinderung und die damit verbundenen Schwierigkeiten und Hürden im Leben gewährt werden. Auch hier
sollten die Mütter jederzeit Unterstützung und Beistand erhalten.
Letztlich brauchen wir alle einen verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol in Bezug auf die ungeborenen und ungeschützten Kinder sowie die Akzeptanz, Teilhabe und bedingungslose Unterstützung von
Menschen mit FASD!
Nevim Krüger
April 2022
Sexualisierter Gewalt im digitalen Raum begegnen
Die Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz Nordrhein-Westfalen e.V. hat eine Broschüre zum Thema „Sexualisierter Gewalt im digitalen Raum begegnen“
herausgebracht und damit die bereits bekannte Broschüre „Cyber-Grooming, Sexting, sexuelle Gewaltverletzungen“ von 2019 überarbeitet und erweitert.
Sie richtet sich an pädagogische Fachkräfte und Eltern und möchte den Blick für die heutige digitale Sozialisation öffnen und junge Menschen befähigen, sich selbst
im digitalen Alltag zu schützen.
Die Broschüre beschreibt die Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen nach aktueller Studienlage und zeigt die vielfältigen Schnittstellen, wie sexualisierter
Gewalt im digitalen Raum mit medienpädagogischen, gewaltpräventiven und sexualpädagogischen Ansätzen zu begegnen ist. Darüber hinaus bietet ein umfangreicher rechtlicher Teil einen Überblick zu
den gesetzlichen Neuerungen im Jugendmedienschutz und im Sexualstrafrecht.
wenn im Laufe der Jugendhilfe junge Menschen Einkommen hatten, waren sie verpflichtet aus diesem Einkommen große Teile an das Jugendamt abzuführen.
Dass die Kosten rechtswidrig ermittelt wurden, hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 11.12.2020
(https://www.bverwg.de/de/111220U5C9.19.0 ) festgestellt.
Zum Teil haben die Jugendämter von sich aus
bei laufenden Jugendhilfen die zu Unrecht geforderten Beiträge neu berechnet und ggf.
zurückgezahlt.
Wir möchten darüber informieren, dass für ehemalige Pflegekinder in den Jahren
zwischen 2013 und 2021 in vermutlich allen Fällen die Kostenbeiträge zu hoch berechnet wurden. Die Bescheide waren rechtswidrig. Es ist daher - auch bei rechtkräftig gewordenen
Bescheiden - möglich beim Jugendamt zu beantragen, dass der Kostenbeitrag neu berechnet und der zu viel gezahlte Beitrag an die Betroffenen
zurückgezahlt wird (Hinweis: Kindergeld, BAB, Bafög etc. gilt nicht als Einkommen und kann daher nicht zurückgefordert
werden).
Die Jugendämter können von Amts wegen auch bei bereits abgeschlossenen
Jugendhilfen eine nachträgliche Neuberechnung machen und die zu Unrecht geforderten Beiträge zurückzahlen. Uns sind allerdings bisher
keine Fälle, bekannt in denen dies geschehen ist.
Da es unterschiedliche Vorstellungen über Fristen der Rückerstattung gibt, sollten Anträge noch vor Jahresablauf
gestellt werden.
Ein Antrag erst im Januar gestellt, könnte zum Anspruchsverlust für ein ganzes Jahr führen. Um dem vorzubeugen, sollten die Betroffenen noch im Dezember einen Antragstellen.
Er sollte möglichst nicht nur per Mail sondern auch als Briefpost per Einschreiben an das Jugendamt geschickt werden. -
Sollte das Jugendamt daraufhin keine oder eine ablehnende Antwort geben oder besondere nicht erfüllbare Anforderungen an die ehemaligen Pflegekinder stellen, wendet
Euch bitte …. da
müssten Sie die für Sie zuständige Ombudstelle einfügen. Die finden Sie hier:
„Bundesnetzwerk Ombudschaft – Kinder- und
Jugendhilfe“ -
Umfrage der Bundesinteressengemeinschaft der Pflegeelternverbände:
Pflegefamilien und die Coronapandemie
Papenburg, den 14. Mai 2021
Auf Initiative des Bundesverbandes behinderter Pflegekinder e.V. (BbP) wurde zwischen dem 21. März 2021 und dem 19. April 2021 eine umfangreiche Onlinebefragung durch die
Bundesinteressengemeinschaft der Pflegeelternverbände (bip) durchgeführt. Der PFAD Bundesverband e.V. (ebenfalls Mitglied der bip) hat durch Carmen Thiele einen Fragenkatalog erstellt, der
gemeinsam mit der Geschäftsstelle des BbP e.V. in Abstimmung mit der AGENDA eingepflegt wurde.
Die Umfrage umfasste 31 Fragen zu unterschiedlichen Schwerpunkten.
Es wurden 784 Beantwortungen durch Pflegefamilie gesammelt. Davon haben 777 alle Fragen aus ihrer Sicht beantwortet.
Die Fragen zur Bereitschaftspflege wurden von durchschnittlich 395 Teilnehmer:innen beantwortet. Nicht zutreffende Fragen wurden von den Teilnehmern entsprechend übersprungen.
Die Bereiche der offenen Fragen (9 Fragen) sind durch uns zu unspezifisch gestellt worden. Die Auswertung war sehr umfangreich und bot weniger harte Daten. Dennoch sind wichtige Erkenntnisse
daraus gewonnen worden. Es wurden 4.238 offene Antworten zu 9 Fragestellungen erfasst und ausgewertet.
Ergebnisse der 31 Fragen (F1 bis F31) in der Zusammenfassung.
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F1 Die überwiegende Mehrheit hat ein (52,37%) bis zwei (30,86%) Pflegekinder aktuell in der Familie lebend.
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F2 Die Altersstruktur von 0 bis 18 Jahre ist überraschend gleichwertig verteilt. Eine leichte Häufung ist in der Altersgruppe 3 bis 12 zu finden.
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F3 55,50% der Kinder in den Familien haben eine anerkannte Behinderung
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F4 56,41% der Kinder haben einen Pflegegrad nach den gesetzlichen Vorgaben
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F5 Die meisten Pflegeverhältnisse werden durch das örtliche Jugendamt (69,92%) begleitet. Über ein Viertel (28,66%) durch einen freien Träger der Jugendhilfe.
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F6 Die persönliche Erreichbarkeit des begleitenden Trägers während der Coronapandemie lag bei 46,48%. Telefonisch und per E-Mail scheint die Erreichbarkeit gut zu sein (über 90%)
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F7 Die Familien schätzen die gesamte Erreichbarkeit ihres Trägers auf einer Skala von 0 (sehr schlecht) bis 10 (sehr gut) mit 6 ein. Für 6,64% ist niemand erreichbar.
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F8 Für mehr als die Hälfte der Familien ist der letzte Hilfeplan länger als sechs Monate her. Davon haben 22,11% länger als ein Jahr kein Hilfeplan gehabt.
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F9 Mehr als zwei Drittel der befragten bekommen innerhalb einer Woche eine Antwort auf ihre Rückfragen bei ihrem Träger, der Krankenkasse oder einer Behörde.
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F10 Die Begleitung des Pflegekinderdienstes während der Coronapandemie bewerten 64,15% als wirkungslos. Mehr als ein Drittel empfindet es hilfreich.
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F11 Etwa 20% der Befragten brauchten bisher keinerlei Anträge aus Sozialleistungen in der Pandemie stellen oder haben keine gestellt. Mehr als die Hälfte der Familien sind aus ihrer Sicht über
die Antragsmöglichkeiten nicht aufgeklärt oder haben keinen Ansprechpartner, weil die Zuständigkeit ungeklärt ist. Fast ein Viertel reichte Anträge ein, die zum größten Teil sehr lange
Bearbeitungszeiten haben (teilweise bis zu einem Jahr und länger).
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F12 Spezielle Anträge beim zuständigen Jugendamt für die Kinderbetreuung und Hilfen in Coronazeiten wurden von etwa reinem Drittel der Familien gestellt und beschieden. 66,22% konnten oder haben
keine Anträge gestellt.
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F13 Der Anteil der Notbetreuung von Pflegekindern in der Pandemie liegt bei 29,63%
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F14 63,80% der Familien haben sich keine Gedanken über eine Regelung / Absprache bei Ausfall der Pflegeperson durch Corona gemacht. Lediglich 1,95% haben Absprachen mit ihrem zuständigen Träger
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F15 Es wurden in 20,41% der Familien während der Coronapandemie ein Kind aufgenommen
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F16 In nur 5,38% war vor der Aufnahme des Kindes bekannt, ob am bisherigen Lebensort des Kindes eine Coronatestung durchgeführt wurde
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F17 in nur 2,19% gab es eine Teststrategie zur Vorbeugung einer SARS-CoV-2 Infektion bei Aufnahme eines Kindes
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F18 Von allen befragten Familien sind 16,99% auch oder ausschließlich Bereitschaftspflegefamilien
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F19 89 von 133 Familien haben in der Pandemie Kinder in Obhut genommen. 2 Kinder wurden vor der Aufnahme auf SARS-CoV-2 getestet. 88 Familien haben keine Hygienekonzepte oder Testmöglichkeiten
zur Verfügung gestellt bekommen. Auch die Kontakte mit den leiblichen Eltern der Kinder fanden ohne Testung und mit unzureichenden Hygienekonzepten statt.
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F20 etwa 50% der Kinder in Bereitschaftspflegefamilien hatten während der Pandemie keinen Elternkontakt.
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F21 Etwas über ein Drittel der Bereitschaftspflegefamilien hatten Kontakt zum Familiengericht in der Pandemie. Die meisten von ihnen (51 von 63) beklagten lange Terminverschiebungen.
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F22 Während der Pandemie wurden etwa die Hälfte (60 von 133) der Bereitschaftspflegeverhältnisse wieder beendet. Es kam zu Rückführungen oder dauerhaften Fremdunterbringungen. In 75% der Fälle
wurde die Überleitung des Kindes durch die Familie selbst organisiert. Es fanden aus Infektionsschutzgründen kaum Anbahnungen statt
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F23 Von allen Familien, die diese Frage beantwortet haben (774) haben 40,31% der Kinder keinen Kontakt zur Herkunftsfamilie. 38,99% haben begleitete Umgänge durch den Träger.
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F24 Die überwiegende Mehrheit der Befragten hat Angst vor Ansteckung bei Umgangskontakten.
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F25 Es gibt bei 95,78% keine Teststrategie oder Testung auf SARS-CoV-2 für Umgangskontakte
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F26 Das selbstorganisierte Arbeitgebermodell für Entlastung, Assistenz und / oder Pflege, findet in 119 Pflegefamilien Anwendung. Somit sind etwa 15% der Befragten selbst Arbeitgeber
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F27 Assistenz- und Entlastungsdienste durch einen externen Anbieter nehmen 197 Familien wahr. Dies entspricht etwa 20% aller befragten Familien
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F28 In der Impfpriorisierung für eine Coronaimpfung sind 75,54% der Pflegefamilien nicht erfasst.
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F29 95,63% haben durch ihren Träger keinerlei Coronabeihilfe, Hygienemaßnahmen, Testungen, Impfaufklärungen oder Hilfe zum z.B. Homeschooling erhalten.
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F30 Folgende Hilfen wurden gewährt:
21 Familien erhielten einmalige Geldzuwendung zwischen 100 und 500 Euro
17 Familien durften Schulbegleiter als Entlastung zuhause wandeln
8 Familien wurden Leistungen gekürzt, weil das Kind nicht zur Schule geht
6 Familien Zuschuss für digitale Medien
3 Familien konnten die Schulbegleitung für Homeschooling nicht umwidmen
2 Familien erhielten Hilfe bei der Unterbringung in der Notbetreuung
1
Familie erhielt eine Bescheinigung zur Impfung mit Priorisierung
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F31 Etwa 17% der Familien melden Versorgungengpässe bei Medikamenten, Hygieneartikeln und Hilfsmitteln an.
In den überwiegend Ein- und Zweikindfamilien (Pflegefamilien) leben Kinder aller Altersstrukturen. Über die Hälfte der Kinder haben eine anerkannte Behinderung, etwas mehr einen Pflegegrad der
gesetzlichen Vorgaben. Die meisten Pflegeverhältnisse (70 Prozent) werden durch die örtlichen Jugendämter begleitet. Weitere 28 Prozent durch einen freien Träger. Alle befragten Familien
schätzten die Erreichbarkeit ihres Pflegekinderdienstes als durchschnittlich ein (6 von 10 Punkten). Mehr als ein Drittel empfinden die Begleitung ihres Pflegeverhältnisses in der Coronapandemie
als hilfreich. 64 Prozent empfingen die Begleitung jedoch als wirkungslos.
Antragsverfahren und Familiengerichtsprozesse werden als langwierig beschrieben. Manche Anträge sind länger als ein Jahr ohne rechtsmittelfähigen Bescheid offen.
Der Anteil der Kinder in Notbetreuung in der Coronapandemie liegt bei 30 Prozent. Einigen Familien wurde die Notbetreuung verwehrt, da sie selbst ein Betreuungssystem mit öffentlichem Auftrag
sind (so Aussagen der Träger).
In 20 Prozent der Familien wurde während der Pandemie ein oder mehrere Kinder aufgenommen. In nur 2 Prozent der Aufnahmen gab es einen Negativnachweis auf SARS-CoV-2. Die Überwiegende Mehrheit
(über 70 Prozent) der Pflegefamilien haben Angst vor Ansteckung bei Umgangskontakten. Mehr als die Hälfte der Befragten haben sich keine Gedanken gemacht, wie das Pflegeverhältnis bei Ausfall der
Pflegeperson gesichert ist. Lediglich 2 Prozent haben hierzu Absprachen mit ihrem zuständigen Pflegekinderdienst.
Bei 35 Prozent der Familien finden Assistenzleistungen, wie Betreuung, Pflege, Haushalt, Nachhilfe statt. 15 Prozent davon nach dem Arbeitgebermodell. Im Arbeitgebermodell gab es keinerlei
Unterstützungen für den Infektionsschutz und die entstehenden Mehrkosten. Diese wurden durch die Familien selbst getragen.
In 96 Prozent aller Fälle erhielten die Familien keine Information zu Teststrategie und Beschaffung von Schnelltests. Sie erhielten keinerlei Coronabeihilfe, Kostenerstattung oder Hilfe zu
Beschaffung von Hygieneartikeln und Masken. 17 Prozent der Familien beklagten bedrohliche Versorgungsengpässe mit Medikamenten, Hygienemitteln und Hilfsmitteln (wie z.B. Antiepilepsiemedikament,
Desinfektionsmittel oder Magensonden)
Lediglich 25 Prozent aller befragten Pflegepersonen sind für Priorisierung der Coronaimpfung erfasst worden. Fast alle Familien bemühten sich um die Erfassung eigenständig. Jede von ihnen musste
die Erfassung argumentieren. Nur eine Familie erhielt eine Bescheinigung des zuständigen Trägers für eine Impfung.
In eigenen Pflegefamilien kann es zu Leistungskürzung durch Verrechnung von Kindergeldsonderzahlung oder massivem Ausfall von Betreuungszeiten. Nur selten konnte z.B. der Schulbegleiter zur
Entlastung in der Häuslichkeit umgewidmet werden.
Bereitschaftspflege speziell:
133 der befragten Familien sind Bereitschaftspflegefamilien, 89 von ihnen haben in der Zeit Kinder in Obhut genommen. Bis auf eine Familie gab es keinerlei Verfügungen über Schnelltests oder
vorgegebene Hygienekonzepte. Auch die häufigen Elternkontakte in der Bereitschaftspflege fanden fast ausschließlich ohne Testung und unzureichende Hygienemaßnahmen statt. In allen Fällen fand
keine Beratung oder Konzeption seitens des Trägers statt. Teilweise wurden Kontakte ohne Maske in der Häuslichkeit abverlangt. Während der Pandemie wurden etwa die Hälfte der Pflegeverhältnisse
wieder beendet. Diese wurden auf Grund von Corona häufig durch die Familien eigenständig durchgeführt und es fand kaum ausreichende Anbahnung von Kontakten für die Kinder statt (etwa 75 Prozent).
Fazit:
Pflegefamilien stehen in der Pandemie besonderen Herausforderungen gegenüber. Der größte Teil der Kinder ist verhaltensoriginell und / oder hat eine anerkannte Behinderung. Die Familien wurden zu
wenig wahrgenommen. Dass die Kinder durch das installierte System „Pflegefamilie“ eine ausreichende Betreuung und Versorgung erfahren ist ein Trugschluss. Sicherlich können sich Pflegefamilien
bis zu einem gewissen Punkt selbst organisieren, doch brauchen sie auch die Mittel dafür. Bis auf das Kindergeld, konnten Pflegefamilien keine Eltern- oder Betreuungsgelder abrufen, die vom Staat
zur Verfügung gestellt wurden. Beim Kindergeld kann es zum Teil zu Verrechnungen mit der Grundleistung für das entsprechende Kind. Nur 4 Prozent der Familien Erhielten Schnelltest und wurden
darin begleitet. Ebenso erhielten sie keinerlei Coronabeihilfen.
Im Arbeitgebermodell müssen die Familien sich mit den geltenden Coronaregeln auskennen und dem Infektionsschutzgesetz nachkommen. Antragsrecht als Arbeitgeber (Testerstattung / Beschaffung,
Impfpriorität) haben sie jedoch nicht, da sie als Privathaushalt gelten. Bei Hilfen durch Dienstleister kam es zu Ausfällen.
Insgesamt sind die Pflegefamilien allein gelassen worden. Obwohl jede von ihnen Dienstleister mit einem Auftrag aus der öffentlichen Hand ist, so wurden sie weder ausreichend gesehen in der
Pandemie, noch nennenswert aktiv unterstützt.
Über weit 90.000 Kinder leben in der Obhut von Pflegefamilien, die mit ihren Pflegefamilien nicht ausreichend berücksichtig wurden.
Es ist jedoch nicht zu spät für Hilfe, Beratung, Beistand und Wertschätzung.
Auswertung / Text: Kerstin Held
Reform der Kinder- und Jugendhilfe
Bundesrat stimmt dem Kinder- und Jugendstärkungsgesetz zu
Am 7. Mai 2021 hat der Bundesrat der vom Bundestag verabschiedeten Reform der Kinder- und Jugendhilfe zugestimmt. Sie soll Minderjährige aus einem belastenden Lebensumfeld, die in
Heimen oder Pflegefamilien leben, besser schützen und ihnen mehr Chancen auf Teilhabe geben.
Information des Bundesrates vom 7. Mai 2021 - Zustimmung des Bundesrates zum Kinder- und Jugendstärkungsgesetz
Mehr Kontrolle für Heime
Der Bundestag hat dazu umfassende Änderungen am Achten Buch Sozialgesetzbuch - SGB VIII - beschlossen. So werden Heime und ähnliche Einrichtungen einer strengeren Aufsicht und
Kontrolle unterstellt. Kinder in Pflegefamilien verbleiben auf Anordnung des Familiengerichts dauerhaft dort, wenn dies zum Schutz und Wohl des Kindes erforderlich ist.
Kostenbeteiligung sinkt auf 25 Prozent
Junge Menschen in Pflegefamilien und Einrichtungen der Erziehungshilfe, die Einkommen aus Schülerjobs, Praktika oder einer Ausbildung haben, müssen sich künftig nur noch mit 25
Prozent an den Kosten beteiligen - bislang waren es 75 Prozent. Dabei bleibt ein Freibetrag von 150 Euro des Einkommens von der Kostenbeteiligung ausgenommen. Einkommen aus
kurzfristigen Ferienjobs und ehrenamtlicher Tätigkeit sind gänzlich freigestellt.
Kooperation und Prävention
Alle beteiligten Stellen, also Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, Gesundheits- und Strafverfolgungsbehörden sowie die Familien- und Jugendgerichte sollen besser
miteinander kooperieren. Ärzte, die sich bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung an das Jugendamt wenden, erhalten beispielsweise eine Rückmeldung über die anschließende
Gefährdungseinschätzung. Verbesserungen sind auch für die Prävention vor Ort und die Beteiligung von jungen Menschen, Eltern und Familien vorgesehen.
Unbürokratische Hilfe
In Notsituationen können sich die Betroffenen an eine Erziehungsberatungsstelle in ihrer Umgebung wenden und dort unbürokratisch Hilfe erhalten. In den Ländern soll eine
bedarfsgerechte Struktur von unabhängigen Ombudsstellen entstehen. Die Beschwerdemöglichkeiten für Kinder und Jugendliche in Heimen und Pflegefamilien werden erweitert.
Inklusion als Leitgedanke
Die Reform bündelt staatliche Leistungen und Hilfen für Kinder- und Jugendliche mit Behinderungen in den kommenden Jahren im SGB VIII. Prinzipiell soll die Inklusion als
Leitgedanke in der Kinder- und Jugendhilfe und die grundsätzlich gemeinsame Betreuung von Kindern mit und ohne Behinderung verankert werden. Ab 2024 wird die Funktion eines
Verfahrenslotsen beim Jugendamt eingerichtet, der als Ansprechpartner für Eltern und andere Erziehungsberechtigte fungiert.
Unterzeichnung - Verkündung - Inkrafttreten
Das Gesetz tritt im Wesentlichen am Tag nach der Verkündung in Kraft. Zuvor muss es noch vom Bundespräsidenten unterzeichnet und im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden.
Länderkosten kompensieren
In einer begleitenden Entschließung weist der Bundesrat darauf hin, dass das Gesetz mit erheblichen Kostenfolgen für die Länder verbunden sind, die diese nicht tragen können.
Der Bundesrat fordert die Bundesregierung daher auf, dauerhaft einen vollständigen Kostenausgleich für Länder und Kommunen zu schaffen - beispielsweise durch Änderung des
Finanzausgleichsgesetzes.
Die Entschließung wurde der Bundesregierung zugeleitet. Diese entscheidet, wann sie sich mit der Forderung befasst.
Das Fetale Alkoholsyndrom ist eine lebenslange hirnorganische Schädigung, die beim noch ungeborenen Fötus durch den Alkoholkonsum der werdenden Mutter verursacht wird.
Bereits geringe Mengen können zu irreversiblen Schäden führen. Dr. Mirjam Landgraf, Fachärztin für
Kinder- und Jugendmedizin mit Schwerpunkt Kinderneurologie und Autorin der S3-Leitlinie zur FASD-Diagnostik, sagt auf die Frage „Gibt es eine unbedenkliche Trinkmenge in der Schwangerschaft?“:
„Nein, die gibt es nicht. Es führt zwar nicht jeder Alkoholkonsum dazu, dass das Kind erkrankt,aber wir wissen nicht, welche Menge dem Fötus schadet und welche nicht. Dazu gibt es keine
gesicherten, wissenschaftlichen Erkenntnisse. Die weltweite Empfehlung ist: Vollständige
Alkoholabstinenz in der Schwangerschaft!“ (Focus-Interview vom 25.02.2021
Im aktuellen Beitrag „Ein Glas Wein scheint in der Schwangerschaft nicht zu schaden“ im ZEIT Magazin vom 3. April 2021 wird die dringend
notwendige und weitgreifende Prävention im Keim
erstickt und Alkoholkonsum während der Schwangerschaft legitimiert und auf verantwortungslose Weise beschönigt.
Jedes Jahr kommen allein in Deutschland über 20.000 Kinder mit der Diagnose „Fetale Alkoholspektrum-Störung“ (FASD) zur Welt. Die Dunkelziffer ist weit höher. Damit führt FASD die Liste der
häufigsten angeborenen Behinderungen der westlichen Welt an – und wäre gleichzeitig
zu 100 Prozent vermeidbar! Die betroffenen Menschen leiden ein Leben lang unter dem entstandenen strukturellen Hirnschaden und den damit verbundenen Einschränkungen und
Komorbiditäten.
Im aktuellen Interview von Fiona Weber-Steinhaus mit der Ökonomie-Professorin Emily Oster wird einmal mehr deutlich, dass die gesellschaftliche Verantwortung zur Vermeidung des
Fetalen
Alkoholsyndroms fehlt. „Ich bin Ökonomin, die meisten Entscheidungen basiere ich auf einer Risiko-Nutzen-Abwägung“, sagt Oster zu Beginn des Interviews. So
scheint Emily Osten den „Nutzen“ von Wein (worin auch immer dieser bestehen mag) gegen das Risiko einer lebenslangen
Schädigung des Kindes durch Alkohol in der Schwangerschaft durch eine Excel Tabelle abzuwägen. Auf Nachfrage, ob man sich als Schwangere auch mal ein Glas Wein gönnen dürfte, fällt die Antwort
erschreckend verantwortungslos aus: „Ich fand keine stichhaltigen Beweise, dass eine
geringe Menge Alkohol die kognitive Entwicklung des Ungeborenen beeinträchtigt. Das heißt: Mal ein Glas Wein zu trinken scheint nicht zu schaden.“
Weiter wird im Artikel über die Mengen von Alkohol in der Schwangerschaft diskutiert. An dieser Stelle wird suggeriert, dass Alkohol nur in großen Mengen schädlich sei. Aus
unserer Sicht ist dies grob fahrlässig, da nur eines gelten kann: Null Alkohol – null Risiko!
Alkohol ist ein Nervengift, das in jeder Menge schadet – umso mehr bei ungeborenen Kindern, deren Organismus diesem Gift schutzlos ausgeliefert ist. Der Fötus trinkt mit und
braucht etwa zehn Mal so lange für die Entgiftung wie die Mutter selbst. Die Leber des Fötus arbeitet erst ab
dem 7. Monat der Schwangerschaft eigenständig. Neben der Menge des Alkohols spielen z.B. Zeitpunkt und Konstitution eine wesentliche Rolle für die konkrete Auswirkung und die Stärke der Schäden.
Es darf an dieser Stelle keine beschönigende Risiko-Nutzen-Abwägung geben! Es ist keinerlei „Nutzen“ von Alkoholkonsum in der Schwangerschaft vorstellbar, der das Risiko einer
lebenslangen Schädigung des ungeborenen Kindes aufwiegen kann!
Prof. Dr. Hans-Ludwig Spohr, Spezialist für alkoholgeschädigte Kinder mit jahrzehntelanger Erfahrung in der FASD-Diagnostik, beantwortet die Frage nach geringen Mengen Alkohol in der
Schwangerschaft: „Wir können nicht ausschließen, dass es trotzdem zu kognitiven Schäden kommen kann, die sich beispielsweise erst im Schulalter zeigen.“ (ZEIT vom 16. September 2017)
Beim aktuell vorliegenden Interview mit Emily Oster hat die ZEIT – auch wenn das Interview ansonsten sachlich geführt ist – keine ausreichende Verantwortung übernommen. Die
gefährlich falsche Schlagzeile und der fehlende Hinweis auf das Fetale Alkoholsyndrom sind für ein derart
seriöses Medium als fahrlässig anzusehen. Mediziner und Forscher aus verschiedenen Fachrichtungen und ihre langjährigen Erkenntnisse werden durch Excel-Aufzeichnungen
einer Wirtschaftswissenschaftlerin diskreditiert. Bereits mit ein wenig oberflächlicher Recherche hätte
man herausfinden können, dass mittlerweile zahlreiche renommierte Institutionen und Organisationen aus guten Gründen zu „Null Alkohol in der Schwangerschaft und Stillzeit“ aufrufen, darunter die
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, der Berufsverband der Frauenärzte
oder die Deutsche Gesellschaft für Ernährung.
Wir fordern deshalb: Aufklärung statt Bagatellisierung! Medien haben hier eine wesentliche Verantwortung zu tragen.
Bundesverband behinderter Pflegekinder e.V.
Nevim Krüger, Kerstin Held (FASD-Ausschuss)
BiP Umfrage: Pflegefamilien und die Coronapandemie
Jeder hat viele Gründe sich in der Coronapandemie übersehen zu fühlen. Jeder hat auf seine Weise sicherlich
auch recht.
In Deutschland leben etwa 91000 Kinder in Pflegefamilien (destatis November 2020). Die tatsächliche Zahl ist bedeutend höher, da die Kinder mit Behinderung kaum
erfasst wurden. Nach einem Jahr in der Coronapandemie stellen wir fest, dass in der Öffentlichkeit kaum, bis gar nicht von oder über Pflegefamilien gesprochen wird. Soforthilfen und
Entlastungsstrukturen erreichen Pflegefamilien nur zu sehr geringen Anteilen, weil sie nicht für diese Hilfeform gedacht sind.
Mit einer bundesweiten Umfrage möchten wir Daten zur tatsächlichen Situation für Pflegefamilien in der Coronapandemie erfassen. Mit der Auswertung wird die
Bundesinteressengemeinschaft der Pflegefamilienverbände (BiP) öffentlich sensibilisieren und an die entsprechenden Ministerien herantreten.
Die Umfrage dauert ca. 5 Minuten, wir bedanken uns schon jetzt für eine rege Teilnahme.
Zuständigkeit für Pflegekinder mit Behinderungen in NRW
Ab 1.1.2020 werden die beiden Landschaftsverbände Rheinland und Westfalen-Lippe zuständig für die Pflegekinder mit Behinderungen. Im Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) ist das
Landesjugendamt zuständig, im Landschaftsverband Rheinland das Landessozialamt.
Der LWL wird für Kinder und Jugendliche mit einer geistigen, körperlichen oder Sinnesbeeinträchtigung in Pflegefamilien zuständig. Diese Zuständigkeit übernimmt der LWL von den
Sozialämtern der Kreise und kreisfreien Städte.
Für Pflegekinder mit einer seelischen Behinderung bleibt weiterhin die Jugendhilfe, d.h. das örtliche Jugendamt, zuständig. Diese unterschiedlichen Zuständigkeiten sind im
Bundesrecht (§ 10 SGB VIII) geregelt und haben ihren Grund darin, dass die Hilfen bei seelischen Behinderungen sich praktisch wenig von den Hilfen bei einem erzieherischen Bedarf
in der Familie unterscheiden.
Manche Städte und Kreise haben entschieden, dass die Hilfen für Pflegekinder mit körperlicher bzw. geistiger Behinderung nicht vom Sozialamt, sondern vom Jugendamt geleistet
werden. Rechtlich gesehen handelt es sich dabei aber um Leistungen der Eingliederungshilfe (auch wenn diese eventuell als Jugendhilfe/SGB VIII-Aufgabe bezeichnet wurden). Auch für
diese Pflegekinder ist der LWL ab dem 01.01.2020 zuständig.
Der LWL wird örtlich zuständig für die Pflegekinder, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt vor der Aufnahme in ihre Pflegefamilie in Westfalen-Lippe hatten bzw. vor Beginn der ersten
stationären Unterbringung, wenn diese nicht länger als 6 Monate ununterbrochen geleistet wurde. Der gewöhnliche Aufenthalt ist in aller Regel dort, wo die Kinder mit ihren
leiblichen Eltern vorher gewohnt haben.
Informatiionen des LVR
Was ändert sich für Kinder und Jugendliche in Pflegefamilien?
Mit der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes in Nordrhein-Westfalen verändert sich die Zuständigkeit für die Leistung zur Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung in
einer Pflegefamilie. Die Zuständigkeit wechselt zum 01.01.2020 von der örtlichen Ebene der Stadt oder des Kreises zu den Landschaftsverbänden.
Der LVR übernimmt die laufenden Fälle derzeit von den örtlichen Jugendämtern im Rheinland. Ziel ist ein möglichst reibungsloser Übergang, so dass keine Leistungsunterbrechungen
entstehen, daher arbeiten alle Leistungsträger bei der Übergabe der Akten und Unterlagen eng zusammen.
Im Oktober 2019 hat der LVR alle Pflegefamilien angeschrieben und über die Veränderungen informiert. Der LVR übernimmt alle vorliegenden Verträge mit Leistungserbringenden
und führt sie zunächst unverändert fort. Die Beratung findet wie bisher auch im häuslichen Umfeld statt. Die Zahlungen des Pflegegelds werden zukünftig vom LVR direkt an die
Pflegefamilien überwiesen. Hierfür werden Pflegeeltern gebeten, dem LVR die aktuelle Bankverbindung sowie die Kopie des vollständigen Vertrages und/oder des Bescheids zukommen zu
lassen.
Landesrahmenvertrag nach § 131 SGB IX Nordrhein-Westfalen - Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB IX für Menschen mit Behinderungen
Ab Seite 23 wird die Unterbringung in einer Pflegefamilie beschrieben
5. Art und Inhalt der Leistung
Die Leistungen sind insbesondere darauf gerichtet, den Kindern und Jugendlichen ihre volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen.
Dabei werden sie alters- und entwicklungsentsprechend an der Planung und Ausgestaltung der einzelnen Hilfen beteiligt. Es handelt sich um eine individuelle im Sozialraum erbrachte
Leistung, bei der Kinder oder Jugendliche, für die diese Hilfeform bedarfsgerecht ist, in einer geeigneten Pflegefamilie leben und gefördert werden.
Die Leistung bietet eine dem individuellen Bedarf entsprechende, familienbezogene Unterstützung außerhalb der bisherigen Herkunftsfamilie, die im häuslichen Kontext erbracht wird.
Die Leistung richtet sich an Leistungsberechtigte, die auf eigenen Wunsch in einer geeigneten Pflegefamilie leben und von dieser unterstützt werden.
Die Leistung bietet eine dem individuellen Bedarf entsprechende, familienbezogene Unterstützung. Die Erziehung und Förderung sowie das Aufwachsen des Kindes oder Jugendlichen in
der Pflegefamilie werden kontinuierlich von einem professionellen Pflegekinderdienst (Leistungserbringer) begleitet, beraten und unterstützt. Nach den Erfordernissen des
Einzelfalls wird der Kontakt zu der jeweiligen Herkunftsfamilie des Kindes oder des Jugendlichen gehalten.
Der Leistungserbringer stellt sicher, dass Kinder oder Jugendliche in der Pflegefamilie Teilhabeleistungen entsprechend ihrem Bedarf als individuelle Leistung erhalten, auch und
gerade dann, wenn mehrere leistungsberechtigte Pflegekinder in einer Pflegefamilie leben.
CAPE berichtete bereits in der letzten Ausgabe seines Magazins über einen Brandschaden an einer Reithalle.
Hier nun der Bericht der betroffenen Pflegefamilie:
Hallenbrand
Am 27.09.2018 zündelte unser 9 jähriges Mündel/Pflegetochter in unserer Reithalle. Laut Gutachten entstand ein Sachschaden von ca. 70.000 Euro.
Luzi kam in den Garten gerannt und schrie, in unserer Reithalle brennt es. Mein damals 15 jähriger Sohn holte den Trecker und fuhr die in der Reithalle gelagerten Heuballen auseinander. So konnte
bis zum Eintreffen der Feuerwehr Schlimmeres verhindert werden und das brennende Heu konnte nicht auf das Strohlager übergreifen. Zu dieser Zeit standen keine Pferde auf den angrenzenden Weiden
und der Wind zeigte sich gnädig und blies nicht zum Häusertrakt hinüber.
Drei Feuerwehren mit Atemschutz brachten das Feuer nach sechs Stunden unter Kontrolle. Die Polizei/ Kripo war auch vor Ort, denn Luzi hatte in der Reithalle mit Streichhölzern gespielt und das
fällt unter Brandstiftung. Gegen Luzi wurde Strafanzeige gestellt und wieder eingestellt.
Im März 2018 hatte ich unsere Binnenhaftpflichtversicherung für unsere Pflegekinder gekündigt, nachdem unser zuständiges Jugendamt uns Pflegeeltern schriftlich versichert hatten, dass die GVV
Versicherung solche Schäden abdeckt und ein gutes Jugendamt, lässt im Schadensfall seine Pflegeeltern nicht alleine.
Ich informierte das Jugendamt und wir bekamen daraufhin einen Fragebogen von der GVV Versicherung zugeschickt. Diesen Fragebogen beantworteten wir in kurzen Sätzen. Die GVV Versicherung wollte
u.a. wissen, ob die leiblichen Eltern eine Haftpflichtversicherung für Luzi haben………..
Schließlich wurde ein Gutachter beauftragt und dieser kam am 11.12.2019. Er schätzte den Schaden auf ca. 70.000 Euro. Der Reitboden war total kaputt, die Hallenbande abgebrannt, das Dach
beschädigt, die Stahlträger verformt, die Elektroanschlüsse und Lampen verbrannt, Heu und Stroh, wenn nicht verbrannt, dann durch das Löschwasser ungenießbar, die Weide neben der Halle durch die
brennenden Heuballen total kaputt…………
Jetzt sollten wir Angebote einholen und an die Versicherung /das Jugendamt einreichen. Wir nahmen Firmen hier vor Ort und innerhalb von 4 Wochen lagen die Angebote vor.
Der Winter nahte und gerade um diese Jahreszeit wird die Halle gebraucht. Es sollten im Winter Pferde angeritten und ausgebildet werden, dafür brauchten wir dringend eine Reithalle. Ein
Pferd hatten wir schon woanders eingestallt, damit mit ihm gearbeitet werden konnte.
Die Angebote wurden geprüft und geprüft und geprüft…… Der Winter war mit uns und es war kein kalter und nasser Winter. Mit den Reparaturarbeiten konnten wir nicht beginnen, weil die Versicherung
uns keine Zusage für die Kostenübernahme gab. Der Gutachter war nicht Schadensregulierungsberechtigt und durfte uns kein grünes Licht geben.
Es dauerte schon sehr lange und nichts passierte. Nach mehrmaligen Telefonaten mit dem Jugendamt, sagte das Jugendamt, wir sollten uns direkt mit der Versicherung in Verbindung setzen. Am 18.3.
2019 setzten wir uns dann direkt mit der Versicherung in Verbindung. Die Versicherung forderte den 30 seitigen Bericht bei der Staatsanwaltschaft ein. Obwohl die Schadenshöhe von ca. 70.000 Euro
feststand, wurde uns eine Abschlagszahlung von 25.000 Euro zugesagt, aber immer noch keine Erklärung zur Übernahme der Gesamtkosten. Nachher wurde die Zahlung auf 29.000 Euro erhöht, aber immer
noch keine Zusage zur kompletten Kostenübernahme. Es fehlten noch kleine Posten die eingereicht werden sollten und die Angebote sollten nochmals überprüft werden. Am 28.3.2019 erhielten wir auf
Nachfrage die Kopie vom Gutachten. Am 4.4.2019 haben wir die Versicherung gebeten einen Generalunternehmer zur Sanierung zu beauftragen. Das wurde abgelehnt! Nach Rücksprache mit dem Gutachter
sollten wir Pauschal per Gutachten abrechnen, abzüglich der Mehrwertsteuer.
Es kam ein Schreiben von der GVV Versicherung in dem stand,….“ In Ihrem Schadensfall sind wir ohne Anerkennung einer Rechtspflicht bereit, Ihnen 25. 000 Euro zur Verfügung zu stellen, sobald uns
die beigefügte Abfindungserklärung wieder vorliegt. Wir sehen die Ansprüche dann vollends als abgegolten an.“
Da wir im Winter 2019 unsere Reithalle nutzen wollen, haben wir das unterschrieben und haben somit 54.000 Euro von der Versicherung erhalten. 10.260 € Mehrwertsteuer können wir noch nach Vorlage
der Rechnungen erhalten. 5.740 € fehlen somit an der Gutachtersumme und sind unser Verlust, sollte die Wiederherstellung der Halle teurer werden, bleiben wir auch auf der Differenz sitzen.
Die Reithalle wird nun repariert!!! Wären wir ein reiner Pensionsbetrieb und müssten davon unseren Unterhalt bestreiten, hätten wir noch mehr Ausgaben und Verluste gehabt.
CAPE stellt fest: Wäre Luzi nicht 9 Jahre alt gewesen, sondern 15 oder 16 Jahre alt und hätte das Wohnhaus gebrannt, dann wären die immer wieder öffentlich gemachten Befürchtungen
von CAPE: immense Schadenssumme, Wohnungslosigkeit etc. für die betroffene Pflegefamilie Wirklichkeit geworden, denn bis jetzt, Stand September 2019 ist die Reithalle immer noch
nicht wieder hergestellt und im Betrieb.
CAPE meint: Aufwand, Kosten und Nerven der betroffenen Familie sind kaum berechenbar. Und das betroffene Jugendamt? Wäre da nicht Unterstützung wichtig und richtig gewesen? Z.B. durch
Übernahme der Schadenssumme und Abrechnung durch das Jugendamt direkt mit der GVV? Zumindest aber durch Übernahme der Restsumme?
CAPE wird sich weiter um Lösungsansätze auf politischer Ebene bemühen.
DAS sind wir Pflegeeltern, die alles geben, um benachteiligten , fremduntergebrachten Kindern eine Heimat in ihren Familien zu bieten, schuldig !
Pressemitteilung des Bundesfamilienministeriums Pressemitteilung 055 Veröffentlicht am 26.06.2019
Hilfe für Betroffene sexualisierter Gewalt wird fortgesetzt
Bundeskabinett beschließt langfristige Finanzierung des Fonds Sexueller Missbrauch
Betroffene sexualisierter Gewalt im Kindes- und Jugendalter sollen weiterhin Hilfen vom Bund erhalten. Das Bundeskabinett hat
heute (Mittwoch) mit dem Bundeshaushaltsentwurf für 2020 beschlossen, dass die Finanzierung des Fonds „Sexueller Missbrauch im familiären Bereich“ fortgesetzt wird. Anträge auf Hilfen an den
Fonds können damit weiterhin gestellt werden. Bisher sind rund 11.500 Anträge eingegangen. Vorbehaltlich der Zustimmung durch das Parlament werden die Mittel im Vergleich zu 2019 um 28,4
Millionen Euro auf 45,4 Millionen Euro aufgestockt. Dazu erklärt Bundesfamilienministerin Dr. Franziska Giffey: „Menschen, die in ihrer Kindheit oder Jugend sexuelle Gewalt erlebt
haben, leiden oft ihr ganzes Leben an den Folgen. Auch wenn inzwischen mehr getan wird für Aufklärung, Prävention und bei der Strafverfolgung, wissen wir auch, dass sich weiterhin Betroffene beim
Fonds melden werden. Dafür sprechen die Opferzahlen aus der Polizeilichen Kriminalstatistik, die bis heute auf einem hohen Niveau liegen. Die Weiterführung des Fonds Sexueller Missbrauch ist für
mich deshalb auch eine Frage der politischen Glaubwürdigkeit. Der Fonds Sexueller Missbrauch ermöglicht die Unterstützung, die Betroffene benötigen. Das Leid kann dadurch nicht ungeschehen
gemacht werden. Aber mit dem heutigen Beschluss können wir dazu beitragen, die Situation von Opfern sexualisierter Gewalt spürbar zu verbessern.“
Im Zuge der Weiterführung des Fonds ist es zentrales Ziel, die Bearbeitungszeiten für die Anträge deutlich zu reduzieren und
organisatorische und auch inhaltliche Optimierungsmaßnahmen fortzusetzen, um die Hilfe nicht nur niedrigschwellig und passgenau, sondern auch zeitnah gewähren zu können. Die Geschäftsstelle des
Fonds soll dazu künftig beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) angesiedelt werden. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Fonds erhalten mit dem Haushaltsbeschluss
eine langfristige Beschäftigungsperspektive.
Der Fonds „Sexueller Missbrauch im familiären Bereich“ besteht seit Mai 2013 als ergänzendes Hilfesystem für Betroffene, die als
Kinder und Jugendliche im familiären Bereich sexualisierte Gewalt erfahren haben. Er bietet niedrigschwellige und bedarfsgerechte Hilfen, die bei der Abmilderung bzw. Überwindung von heute noch
bestehenden Folgeschäden des Missbrauchs unterstützen sollen. Betroffene können Sachleistungen wie z.B. Therapien in Höhe von maximal 10.000 Euro erhalten. Bei behinderungsbedingtem Mehraufwand
zur Inanspruchnahme der Hilfen werden zusätzlich bis zu 5.000 Euro gewährt. Die Leistungen sind gegenüber gesetzlichen Leistungen und gegebenenfalls bestehenden und durchsetzbaren
zivilrechtlichen Ansprüchen nachrangig. Ein Rechtsanspruch auf Hilfen aus dem Fonds besteht nicht. Weitere Informationen: www.fonds-missbrauch.de/
Das Thema sexueller Kindesmissbrauch beschäftigt viele Jugendämter in NRW. Das geht aus einer Erhebung bei allen NRW-Jugendämtern hervor, die der WDR nach den
Kindesmissbrauchsfällen von Lügde durchgeführt hat. An der WDR-Umfrage nahmen 139 von insgesamt 186 Ämtern teil. Demnach verzeichneten Jugendämter in Nordrhein-Westfalen
2018 mindestens 566 Verdachtsmeldungen auf sexuellen Kindesmissbrauch. Die WDR-Erhebung machte darüber hinaus deutlich, dass Personalausstattung und Standards nicht
einheitlich und die Arbeitsbelastung der Sozialarbeiter in den Allgemeinen Sozialen Diensten regional extrem unterschiedlich ist. Ebenso unterschiedlich die Unterbringung der Kinder,
die in Obhut genommen wurde bei Pflegefamilien, Wohngruppen oder Kinderdörfern: von 76 % in Heimunterbringung (Bergisch Gladbach) bis 83 % Unterbringung in einer Pflegefamilie (Kreis
Wesel).
Erstattungsanspruch des Jugendhilfeträgers gegen den Träger von Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz; Einsatz von angespartem Vermögen auf Grund von Leistungen nach dem
Bundesversorgungsgesetz
Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 13. Februar 2018
Az. 10 A 312/17
Der Kläger begehrt als Träger der öffentlichen Jugendhilfe von dem Beklagten als Träger der Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) die Erstattung von Aufwendungen für
Jugendhilfeleistungen in Form von Hilfe zur Erziehung für den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 2011 zugunsten des 1996 geborenen, also minderjährigen, Leistungsempfängers.
Die leibliche Mutter des Leistungsempfängers wurde vom leiblichen Vater des Leistungsempfängers am 2. August 2006 getötet, welcher hierfür am 20. April 2007 zu einer langjährigen Haftstrafe
verurteilt wurde.
In der Zeit vom 1. September 2006 bis 31. Januar 2014 gewährte der Kläger dem Leistungsempfänger Hilfe zur Erziehung in Form von Heimerziehung nach §§ 27, 34 SGB VIII. Der Leistungsempfänger
verfügte in dem eingeklagten Zeitraum über ein Sparguthaben, welches sich auf etwa 15.500 Euro belief.
Im Oktober 2006 beantragte der Kläger gegenüber dem Beklagten die Gewährung von Erziehungsbeihilfe gemäß § 27 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und machte gegenüber dem Beklagten als vorrangig
verpflichtetem Leistungsträger einen Erstattungsanspruch geltend. Im November 2009 bewilligte das Hessische Amt für Versorgung und Soziales zugunsten des Leistungsempfängers eine
Beschädigtenversorgung nach dem OEG i.V.m. dem BVG. Der Beklagte erkannte im August 2011 gegenüber dem Kläger grundsätzlich seine Zuständigkeit zur Übernahme des geltend gemachten Bedarfs an und
gab dem Erstattungsanspruch des Klägers für die Zeit vom 25. August 2006 bis zum 6. August 2014, der Vollendung des 18. Lebensjahres des Leistungsempfängers, statt, vorbehaltlich des Ergebnisses
einer derzeit noch nicht abgeschlossenen Einkommens- und Vermögensüberprüfung.
Für den Zeitraum vom 25. August 2006 bis 30. Juni 2011 erstattete der Beklagte dem Kläger sodann die geltend gemachten Kosten, lehnte aber für den Zeitraum ab 01. Juli 2011 die Kostenerstattung
ab, da aufgrund einer Änderung im BVG zum 01. Juli 2011 Ansparungen aus Leistungen nach dem BVG zum Vermögen zählten und einzusetzen seien und gleichzeitig der Vermögenschonbetrag überschritten
sei.
Am 30. Dezember 2015 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Kassel Klage erhoben, welches die Klage mit Urteil vom 29. November 2016 abgewiesen hat.
Gegen das Urteil hat der Kläger 17. Januar 2017 Berufung eingelegt.
Die Berufung des Klägers wird als unbegründet zurückgewiesen. Dem Kläger stehe der geltend gemachte Erstattungsanspruch für den eingeklagten Zeitraum nicht zu.
Der Kläger hat die dem Leistungsempfänger geleisteten Jugendhilfeleistungen (§§ 27, 34 SGB VIII) als nachrangig verpflichteter Leistungsträger im Sinne des § 104 Abs. 1 S. 1 SGB X erbracht. Gemäß
§ 10 Abs. 1 SGB VIII sind Leistungen der Jugendhilfe gegenüber Leistungen nach dem OEG i.V.m. dem BVG nachrangig. Es bestand auch eine Leistungskongruenz zwischen beiden Ansprüchen.
Der Verwaltungsgerichtshof stellt fest, dass der Beklagte im eingeklagten Zeitraum jedoch selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen sei, da der Einsatz von Vermögen aus angesparter
Grundrente nach dem OEG i.V.m. dem BVG im Rahmen der Gewährung von Eingliederungshilfe nach § 1 Abs. 1 S. 1 OEG i.V.m. § 27d Abs. 1 Nr. 3 BVG gefordert werden könne. Ziel der fürsorgerischen
Leistungen der Kriegsopferfürsorge sei nicht, einen Vermögensaufbau über die in der Kriegsopferfürsorge geltenden großzügigen Vermögenschonbeträge hinaus zu ermöglichen. Demzufolge seien den zu
erbringenden Leistungen des vorrangig verpflichteten Beklagten für jeden einzelnen Monat des Erstattungszeitraums bei der Ermittlung des Umfangs der Leistungspflicht angespartes Vermögen
gegenüber zu stellen.
Das Gericht führt aus, dass der Ausfall des Erstattungsanspruchs des Klägers seine Rechtfertigung in der grundsätzlichen Verschiedenheit der jeweiligen Leistungssysteme finde, welche
unterschiedliche Regelungen zur Anrechnung von Einkommen und Vermögen hätten. In der Jugendhilfe stehe der pädagogische Bedarf im Vordergrund, welcher einkommens- und vermögensunabhängig sei. Die
Kriegsopferfürsorge sei hingegen ein einkommens- und vermögensabhängiges Fürsorgesystem. Der Umfang des Erstattungsanspruchs richte sich gemäß § 104 Abs. 3 SGB X aber nach den Vorschriften, die
für den vorrangig verpflichteten Leistungsträger gelten würden.
Wegen grundsätzlicher Bedeutung hat der VGH die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen.
Kinderkommission fordert bessere Qualifizierung der Fachleute an Familiengerichten
Die Kinderkommission des Deutschen Bundestags fordert mehr verpflichtende Fachkenntnisse aller an familiengerichtlichen Verfahren Beteiligten. Richter, Sachverständige und
Verfahrensbeistände sollen durch verpflichtende Qualifizierung und eine Handreichung zu Kindesanhörungen in die Lage versetzt werden, das Kindeswohl stärker zu beachten, als es heute
vielfach geschieht. Kinder und Jugendliche sollen über ihre Rechte bei Gericht und Inobhutnahme aufgeklärt werden und eine Beschwerdemöglichkeit erhalten.
Einleitung der Stellungnahme der Kinderkommission des Deutschen Bundestages „ Qualitätssicherung in Kindschaftsverfahren: Qualifizierung von Familienrichterinnen und
- richtern, Gutachtern und Verfahrensbeiständen“
Ausgangspunkt
Im Jahr 2017 gab es über 340.000 Kindschaftsverfahren vor deutschen Familiengerichten. In der Familiengerichtsbarkeit werden Entscheidungen getroffen, die oft erhebliche
Auswirkungen auf die Biografien von Kindern und ihre Familien haben. Häufig handelt es sich um hochkonflikthafte Sorge - und Umgangsstreitigkeiten sowie komplexe
Kinderschutzverfahren.
Familiengerichtliche Verfahren und Entscheidungen sollen sich am Primat des Kindeswohls und der Verhältnismäßigkeit orientieren. Doch werden die Rechte von Kindern nicht immer
ausreichend gewahrt. Das staatliche Wächteramt erfordert einerseits, jedes Kind vor Gefährdung und Schaden zu schützen, und andererseits garantiert die Verfassung, die Integrität
und das Erziehungsrecht von Familien zu achten. Diese Gratwanderung sowie die meist große Emotionalität, Hochstrittigkeit, Belastung, Vulnerabilität und oft eingeschränkte
Ressourcenstärke vieler Betroffener stellen höchste Anforderungen an die Qualifikationen aller beteiligten Professionen. Diese müssen nicht nur die verfassungsrechtlichen
Voraussetzungen, das Familienrecht, Familienverfahrensrecht, Kinder- und Jugendhilferecht und die Rechte aus der UN-Kinderrechtskonvention beherrschen, sondern auch über
Einfühlungsvermögen und Erfahrungen im Umgang mit Kindern und Jugendlichen verfügen. Ebenso wichtig sind grundlegende Kenntnisse in Psychologie und Anhörungstechniken, gerade wenn
es sich um kleine Kinder handelt, sowie ein klares Aufgaben-und Rollenverständnis in Abgrenzung zur anderen Profession.
In der 18. Legislaturperiode wurde eine Reform des Sachverständigenrechts verabschiedet. Sie schreibt unter anderem vor, dass nur noch bestimmte Berufsgruppen als Sachverständige
im Familienrecht zugelassen sind. Zudem wurden Mindeststandards für Gutachten entwickelt, auf die die Gesetzesbegründung verweist. Dies können allerdings nur erste Schritte im
Bemühen um eine umfassende Qualifizierung aller Akteure im Kontext der Familiengerichtsbarkeit sein.
Wichtig ist, eine offene Debatte über die Herausforderungen in der Praxis der Familiengerichte zu führen und über die besonderen Anforderungen an die Qualifikationen aller
beteiligten professionellen Akteure zu diskutieren. Dazu möchte die Kinderkommission beitragen.
Schadensersatzbegehren der Adoptivmutter gegen den Kreis wegen Verletzung von Ermittlungspflichten im Rahmen der Adoptionsvermittlung
Landgericht Bonn, Urteil vom 5. September 2018
Az. 1 O 397/17
Das später adoptierte Kind wurde am 12. Juli 1997 vorzeitig geboren. Vater des Kindes war nicht der damalige Ehemann der Mutter, welcher mit drei weiteren leiblichen Kindern von dieser getrennt
lebt. Anfang 1998 erklärte sich die Mutter bereit, das Kind zur Adoption frei zu geben.
Am 28. Januar 1998 erklärte die Mutter, dass der biologische Vater erheblich dem Alkohol zugesprochen habe und zumindest Kokain, Ecstasy und Haschisch konsumiert habe. Zu ihrem eigenen Konsum
hatte sie erklärt, dass sie während der Schwangerschaft weder Drogen noch Alkohol zu sich genommen habe. Sie habe jedoch geraucht.
Beim in das Adoptionsverfahren eingebundenen Landschaftsverband Rheinland wurde in einem Vermerk festgehalten, dass in der letzten U-Untersuchung keine Probleme festgestellt werden konnten,
lediglich Größe und Gewicht des Kindes seien deutlich unter der Norm, aber im Zusammenhang mit der Frühgeburt zu sehen.
Am 17. Juni 1998 erklärten die Mutter und ihr Ehemann als rechtlicher Vater ihre Einwilligung in die Adoption und das Kind wurde in die Pflegschaft der Klägerin und ihres Ehemannes gegeben. Auch
im weiteren Verlauf stellte das Jugendamt des beklagten Kreises die unkomplizierte Entwicklung des Kindes fest.
Das Amtsgericht sprach durch Beschluss vom 5. August 1999 die Adoption aus.
Am 28. Oktober 2014 wurde bei der Adoptivtochter ein Fetales Alkoholsyndrom (FAS) diagnostiziert. Ursache eines FAS ist Alkoholkonsum der leiblichen Mutter während der Schwangerschaft.
Mit der Klage macht die Klägerin für die Zeit seit dem 1. Juli 1998 einen monatlichen Pflegegeldbetrag sowie Schadensersatz geltend.
Das Landgericht Bonn hat die Klage als unbegründet abgewiesen.
Ein Amtshaftungsanspruch gemäß § 839 Abs. 1 BGB i.V.m Art. 34 S. 1 GG wegen Verletzung der Ermittlungspflichten im Rahmen der Adoptionsvermittlung gemäß § 7 Abs. 1 AdVermG sieht das Gericht nicht
gegeben. Aufgrund der Tatsachengrundlage seien die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des beklagten Kreises nicht verpflichtet gewesen, weitere Ermittlungen hinsichtlich eines möglichen
Alkoholabusus durch die biologische Mutter anzustellen.
Ein Amtshaftungsanspruch lasse sich auch nicht wegen einer Verletzung von Beratungs- und Mitteilungspflichten im Rahmen der Adoptionsvermittlung nach § 9 Abs. 1 AdVermG konstruieren.
Die Klägerin hat nach Auffassung des Gerichts nicht hinreichend vorgetragen, dass sie sich zum Zeitpunkt der Adoption anders verhalten hätte, wenn sie aus den Informationen, welche den
Mitarbeitern des beklagten Kreises zur Verfügung standen, den Schluss gezogen hätte, dass die leibliche Mutter über ihren eigenen Alkoholkonsum während der Schwangerschaft gelogen hat und dass
daher ein für sie nicht tolerierbares Risiko einer alkoholbedingten Schädigung bestand.
Darüber hinaus ist es nach Ansicht des Gerichts nicht erforderlich gewesen, vorsorglich über das Krankheitsbild FAS und die Folgen zu informieren. Das allgemeine Lebensrisiko bei einer
Adoptionsvermittlung könne nicht durch die Begründung umfassender Aufklärungspflichten über alle denkbaren Entwicklungen auf die Adoptionsvermittlungsstelle übertragen werden.
Mitreden – Mitgestalten, ein Beitrag der Pflegefamilienverbände
Die bundesweiten Adoptiv- und Pflegefamilienverbände AGENDA-Pflegefamilien, Bundesverband behinderter Pflegekinder e.V. und PFAD-Bundesverband e.V. haben zur neu beginnenden
Diskussion der Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe eine gemeinsame Stellungnahme erarbeitet.
Die Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe sollte in der letzten Legislaturperiode im Kin-der- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) ihren Abschluss finden. Dieses Gesetz ist
bisher nicht in Kraft getreten. Im Koalitionsvertrag steht, dass die Kinder- und Jugendhilfe auf der Basis dieses Gesetzes weiterentwickelt werden soll. Das dabei aus der
Perspektive der Pflegekinderhilfe bedeutsame Thema ist die Sicherung der Kindesinteressen bei Fremdunterbringung. Was bedeutet dies?
1) ein Recht auf Familie haben auch behinderte Kinder
Für alle behinderten Kinder sind entsprechende Angebote der Fremdunterbringung in Familien bedarfsgerecht auszugestalten. Dazu gehören außer den behinderungsspezifischen Bedarfen
des Kindes auch Entlastungs-, Fortbildungs-, Beratungs- und andere Unterstützungsbedarfe der Pfle-geeltern. Für Kinder mit besonderem Bedarf im Bereich der Gesundheitsfürsorge
sind Teile der Personensorge wie Gesundheitsfürsorge und das Recht Anträge zu stellen dringend an die Pflege-eltern zu übertragen. Wenn die Eingliederungshilfe Kostenträger ist,
müssen die Ausführungsbe-stimmungen im SGB IX und XII den Regelungen aus dem SGB VIII §§ 36 bis 39 entsprechen. Die Zusammenarbeit der Ministerien und das Zusammenführen der
Eingliederungshilfe und der Jugendhilfe sind unverzichtbar, um eine inklusive Kinder- und Jugendhilfe herbeizuführen.
2) Vorbereitung und Unterstützung der Pflegeeltern
Eine gute Vorbereitung und Unterstützung der Pflegefamilien braucht qualifizierte Fachkräfte, die ausreichende zeitliche Ressourcen haben. Die Unterstützung der Pflegeeltern,
einschließlich Entlastungsangebote und Fortbildung, sind nach Bedarf zu finanzieren. Pflegefamilien agieren in einem Bereich unterschiedlicher Erwartungen. Daher sind den
Pflegeel-tern Beratung und Supervision anzubieten. Dafür gilt das Wunsch- und Wahlrecht.
3) Umgang zum Wohl des Kindes
Pflegekinder haben ein Recht aber nicht die Pflicht auf Kontakt/Umgang mit ihren leiblichen Eltern. Die Anerkennung der Kinderrechte bei der Umgangsthematik bedeutet zwingend,
dass die Aussage des Kindes respektiert wird. Umgänge gegen den Willen und das Wohl des Kindes dürfen
nicht durchgeführt werden.
4) Elternberatung
Kindesinteressen als Richtschnur bedeutet eine wertschätzende sozialpädagogische Arbeit mit den leiblichen Eltern. Elternverantwortung heißt Sensibilisierung für die
Entwicklungsbedürfnisse des Kindes. Sie haben nicht mehr die Aufgabe, den Alltag mit dem Kind zu gestalten. Sie müssen
akzeptieren, dass ihre Kinder andere Bindungen eingehen und brauchen dabei Unterstützung.
5) Lebenswirklichkeit der Pflegekinder
Pflegekinder, die schon länger in ihrer Pflegefamilie leben und sich gebunden haben, brauchen die familienrechtliche Anerkennung ihres Lebensortes. In dem Übereinkommen über die
Rechte des Kindes vom 20. November 1989 wird im Artikel 12 explizit die Berücksichtigung des Kindeswillens zugesichert. Das betrifft insbesondere familiengerichtliche
Entscheidungen zum Lebensort des Kindes.
6) Hilfeplanung als wirkliche Beteiligung
Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an der Hilfeplanung, halten wir für zwingend erforderlich. Sie bedeutet nicht notwendigerweise die Anwesenheit des Kindes beim
Hilfeplangespräch, sondern die Wahrnehmung seiner Interessen und Bedürfnisse. Dies hat in einer für das Kind angemessenen und verständlichen Form zu erfolgen.
Die schriftliche Dokumentation des Hilfeplangespräches und der Hilfeplan als Verwaltungsakt sind den Betroffenen, einschließlich den Pflegeeltern zeitnah zur Verfügung zu stellen.
Im Hilfeplan ist der Zusammenhang von Hilfebedarf und den Bedingungen der Hilfe deutlich erkennbar darzulegen.
7) Kostenbeteiligung junger Menschen
Pflegekinder müssen mit 75 % ihres Einkommens die Jugendhilfe finanzieren. Das ist nicht im Sinne der Hilfegewährung. Die im KJSG Absenkung der Kostenbeteiligung auf 50% sowie ein
Freibetrag von 150 € muss schnellstmöglich geltendes Recht werden.
8) Soziale Absicherung von Pflegefamilien
Pflegefamilien werden in vielen Kommunen händeringend gesucht. Die soziale Absicherung von Pflegefamilien hat viele große Löcher. Für kleine Kinder ist, analog zum Elterngeld, ein
angemessener Beitrag aus der Jugendhilfe zu finanzieren.
Die momentane Regelung zur Alterssicherung reicht nicht aus. Es muss gewährleistet sein, dass Pflegeeltern nicht in Altersarmut rutschen, weil sie Pflegekinder aufgenommen haben
und deshalb ihre Berufstätigkeit ganz oder teilweise aufgegeben haben.
9) Schadensregulierung
Die Haftpflichtversicherungen greifen bei Schäden, die Pflegekinder im Haushalt der Pflegeeltern verursachen, meistens nicht. Haftpflicht ist stets an Deliktfähigkeit geknüpft.
Diese ist im BGB geregelt.
Zwingend zu klären ist, wie Schäden reguliert werden, die Pflegekinder im Haushalt der Pflegefamilie anrichten.
Dieser Artikel wurde bei dem Workshop des Runden Tisches der Adoptiv- und Pflegefamilien auf dem 16.Kinder- und Jugendhilfetag im März in Düsseldorf etwas verkürzt vorgetragen. Für diesen
Workshop hatte jeder der vier dem Runden Tisch angehörenden Bundesorganisationen ein Schwerpunktthema erarbeitet.
Die AGENDA Pflegefamilien hat sich seit geraumer Zeit mit diesem Thema beschäftigt und die Gelegenheit genutzt, um öffentlich darauf hinzuweisen. Für die AGENDA Pflegefamilien erarbeitet durch
CAPE Landesarbeitsgemeinschaft NRW.
Pflegekinder und deren Pflegefamilien sind seit vielen Jahren unser Anliegen und wir möchten Sie noch einmal auf ein großes Problem aufmerksam machen.
Pflegeeltern bekommen Pflegekinder von Jugendämtern oder Trägern vermittelt, werden mit der Geschichte dieser Kinder konfrontiert. Pflegeeltern werden geschult und auf Probleme vorbereitet, die
das Leben mit
diesen besonderen Kindern verändert. Den Umgang mit Gerichten, Vormündern, Sozialarbeitern und Herkunftseltern lernen Pflegeeltern im Alltag kennen. Ebenso werden Erfahrungen mit Auffälligkeiten
der
Pflegekinder zur Normalität.
Erst wenn Probleme auftreten, die nicht mehr in diesen normalen Alltag passen fangen Pflegeeltern an zu überlegen, ob sie selbst Schutz genießen. Und um solche Probleme geht es hier.
Die meisten Erwachsenen verfügen über eine Haftpflichtversicherung, die spätestens dann abgeschlossen wird, wenn Kinder kommen. Wie schnell ist etwas passiert, der Fußball fliegt in die Scheibe
der Nachbarwohnung,
das Fahrrad streift das nachbarliche Auto usw. Dagegen kann man sich versichern – zumindest ansatzweise. Das Gesetz unterscheidet Haftung eines Schadensverursachers anhand des Alters und der
Reife. Das heißt: ein unter siebenjähriges Kind ist nicht haftbar zu machen, sondern unterliegt der Aufsichtspflicht der Eltern, also, es ist für einen Schaden nicht haftbar zu machen, der
Nachbar geht leer aus, es sei denn, Sie als aufsichtspflichtiges Elternteil sagen, dass Sie nicht aufgepasst haben, dann zahlt Ihre Versicherung.
Bei einem sieben- bis vierzehnjährigen Kind sieht das schon anders aus. Es wird geprüft, ob das Kind den Schaden hätte vermeiden können, ob es „reif“ genug ist zu verstehen, was es da evtl.
anrichtet.
Und, ob Sie das Kind dahingehend belehrt haben, wie es solche Schäden vermeiden kann. Oder es käme wieder die „mangelnde“ Aufsicht ins Spiel und die Versicherung würde zahlen. Wird ein Kind
vierzehn Jahre alt ändert sich in der Haftpflicht einiges. Ist das Kind nachweislich nicht einsichtsfähig, geistig behindert o.ä. gelten die gleichen Bedingungen wie bei kleineren Kindern. Ist
der Jugendliche jedoch als einsichtsfähig einzustufen, wird er „strafmündig“ und ist haftbar zu machen für alle Schäden, die er anrichtet.
D.h. der evtl. betroffene Nachbar kann verlangen, dass der Schaden erstattet wird. Entweder über eine Haftpflichtversicherung oder aber, wenn der Jugendliche absichtlich einen Schaden anrichtet,
kann der
Geschädigte die Begleichung des Schadens bei dem Jugendlichen einklagen.
Kommen wir nun zu Pflegekindern und ihren Pflegeeltern.
Schädigt das Pflegekind Gegenstände der Pflegeeltern, haben diese zunächst einen Anspruch gegen das Pflegekind selbst. Das Pflegekind haftet jedoch nicht, wenn es unter 7 Jahren alt oder wenn es
unter 18 Jahren alt ist und ihm die nötige Einsichtsfähigkeit fehlt. Die leiblichen Eltern und der Vormund können in der Regel nicht haftbar gemacht werden, da ihre Aufsichtspflicht auf die
Pflegeeltern übertragen worden ist. Auch ein Anspruch gegen das Jugendamt scheidet aus. Das Jugendamt hat nur die Verantwortung für
die ordentliche Auswahl, Instruktion und Überwachung der Pflegeeltern. Kommen Pflegeeltern ihrer Aufsichtspflicht nicht nach, können sie ihren Schaden nicht vom Jugendamt ersetzt verlangen mit
der Begründung,
das Jugendamt hätte sie nicht ordentlich ausgewählt. Im Ergebnis haben Pflegeeltern daher nur einen Anspruch gegen das Kind. Haftet dieses nicht, bleibt der Schaden bei den Pflegeeltern.
Seit Jahren gibt es speziell für Pflegekinder und deren Pflegefamilien deshalb die Binnenversicherung. Die meisten von Ihnen werden diese kennen und vermutlich auch abgeschlossen haben. Einige
Jugendämter haben sich dem angeschlossen, verstanden, dass da eine Lücke klaffte und haben ihre Pflegekinder in der GVV gegen durch sie angerichtete Schäden innerhalb der Pflegefamilien
versichert. Die Bedingungen sind die gleichen wie bei Schäden außerhalb der Pflegefamilie.
Wobei es durchaus zu einem merkwürdigen Verständnis von Pflegeelternschaft führen kann, wenn Sie als Pflegeeltern - nur um in den Genuss der Schadensübernahme durch die Haftpflichtversicherung zu
kommen – Verletzung der Aufsichtspflicht einräumen (müssen).
Gravierend verändert sich die Sachlage, wenn ein Pflegekind 14 Jahre alt wird:
Sobald Pflegekinder vierzehn Jahre alt werden, nicht geistig behindert und als einsichtsfähig eingestuft werden sind sie für ihre Handlungen voll verantwortlich. Pflegekinder sind oft durch
traumatische Erlebnisse
eingeschränkt, oft aggressiv, wütend. Viele Pflegeeltern kennen zerstörte Möbel, kaputte Türen, demolierte Wände etc. Vieles wird von Pflegeeltern kommentarlos repariert, erneuert, manches über
die Binnenversicherung
mit deutlichen Einbußen reguliert.
Was aber passiert bei größeren oder ganz großen Schäden, die ein jugendliches Pflegekind absichtlich anrichtet?
Nehmen wir z.B. den sechzehnjährigen, noch mitten in der Pubertät steckenden, aggressiv aufgeladenen auf alle und jeden permanent wütenden Jugendlichen der gern zündelt. Ein Feuerzeug? Kein
Problem, kann
jeder an jeder Ecke kaufen, ist cool und hat jeder in der Tasche. Stellen Sie sich vor, sie und ihre Familie (vielleicht haben sie noch weitere Pflegekinder) schlafen.
Der sechzehnjährige Wüterich brennt in seinem Zimmer Papierchen ab, erst wenig, dann mehr, dann fängt
die Gardine Feuer, fällt aufs Bett… ruckzuck steht das Zimmer, das Haus in Flammen. Sie und ihre Kinder können sich knapp aus dem Haus retten, stehen im Schlafanzug auf der Straße und müssen
zusehen wie Ihr
ganzes Hab und Gut in Flammen aufgeht. Schlimme Vorstellung? Stimmt!
Aber was machen Sie jetzt? Sie kommen mit Ihren Kindern sicher für kurze Zeit bei Nachbarn, Freunden, Verwandten unter. Alle versuchen zu helfen. Auch das Jugendamt meldet sich und… nimmt ihre
Pflegekinder in Obhut. Denn Sie sind obdachlos und Obdachlose und Pflegekinder passen nicht
zusammen. Sicherlich wird das Jugendamt Ihnen für Ihre bisherige Arbeit danken, Ihnen alles Gute wünschen und anbieten dass, sobald Sie wieder eine Wohnung haben und über „geordnete“ Verhältnisse
verfügen
erneut über Pflegekinder nachgedacht werden kann.
Hilft ihnen das? Sie sind immer noch obdachlos, Sie haben kein Haus mehr, keine Möbel, keine Erinnerungsstücke
und… Sie haben auch niemanden, der diesen Schaden bezahlen wird. Sie haben alles verloren.
Denn derjenige, der den Schaden verursacht hat ist über vierzehn Jahre alt und strafmündig. Und er hat absichtlich dieses Feuer gelegt und deshalb kann und darf keine Haftpflichtversicherung den
Schaden begleichen,
so steht es im Gesetz! § 823 BGB (1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich
verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
Fahrlässig verursachte Schäden lassen sich meist durch eine Haftpflichtversicherung (auch in der Binnenversicherung) absichern.
Für vorsätzlich angerichtete Schäden gibt es keinen Versicherungsschutz.
Ebenfalls im Gesetz steht, dass kein Jugendamt Schäden begleichen darf, die absichtlich von einem Jugendlichen über vierzehn Jahre angerichtet werden. Kommt eine Haftung nach § 832 BGB nicht in
Betracht, ist eine Haftung des Jugendamtes im Rahmen der Amtshaftung möglich. Voraussetzung dafür ist,
dass das Jugendamt seine Aufsichts- oder Amtspflicht verletzt hat. Das Jugendamt hat jedoch keine Aufsichtspflicht bezogen auf das einzelne Kind, sondern eine "mittelbare Aufsichtspflicht". Es
trägt also nur die Verantwortung über die ordentliche Auswahl, Instruktion und Überwachung der Pflegeeltern. Kommt das Jugendamt dieser mittelbaren Aufsichtspflicht hinreichend nach, haftet es
nicht.
Wenn Sie auf solchen Schäden nicht „sitzenbleiben“ wollen, können Sie den Jugendlichen verklagen, vielleicht haben Sie ja Glück und Ihr Pflegekind hat in einigen Jahren so viel Geld verdient,
dass es Ihnen ein neues Haus kaufen kann. Bis dahin leben Sie sicher gern auf der Straße oder wo auch immer…? Wahrscheinlicher ist, Sie bekommen nie auch nur einen Cent. Auch ein Strafverfahren,
das dem Jugendlichen wegen Brandstiftung droht, wird Ihnen nicht helfen, dem Jugendlichen weitere Kosten bescheren, evtl. einen Aufenthalt im Gefängnis.
Denn: Scheidet eine Haftung des Kindes, der Eltern, des Vormunds, der Pflegeeltern und des Jugendamtes aus, bleibt der Dritte auf seinem Schaden sitzen. Dies ist jedoch aufgrund von § 828 BGB,
der einen Schutz
des Kindes vorsieht, hinzunehmen !
Und: § 832 Abs.1 BGB Wer kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht über eine Person verpflichtet ist, die wegen Minderjährigkeit oder wegen ihres geistigen oder körperlichen Zustands der
Beaufsichtigung bedarf, ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den diese Person Dritten widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn er seiner Aufsichtspflicht genügt oder
wenn der Schaden auch bei gehöriger Aufsichtsführung entstanden sein würde.
Hier haben wir gerade einen fiktiven Fall skizziert, der so oder ähnlich durchaus passieren kann und auch schon geschehen ist. Zugegeben, diese Fälle sind selten, darüber sind wir alle froh, aber
eben nicht unmöglich.
Wesentlich häufiger gibt es die „kleineren“ Fälle. Da „leiht“ sich der Jugendliche ohne zu fragen das Auto der Pflegeeltern aus, fährt es zu Schrott. Können Sie zweifelsfrei nachweisen, dass Sie
den Autoschlüssel so versteckt haben, dass niemand ihn finden kann?
Oder ein Jugendlicher zerstört den teuren Fernseher, oder die teure, maßangefertigte Tür geht zu Bruch.
Selbst wenn die Versicherung zahlt, tut sie das nur mit Abstrichen, Zeitwert heißt da das Zauberwort. Ihnen wäre die Türe, so wie alle anderen in Ihrer Wohnung, vielleicht noch viele Jahre gut
genug gewesen. Jetzt brauchen Sie eine neue, diese wird sich von den vorhandenen anderen evtl. unterscheiden. Und einen großen Anteil an den Kosten tragen Sie selbst. Es gibt viele dieser
Beispiele, längst sind sie nicht mehr fiktiv, sondern bittere Realität, bestätigt durch Urteile bis hinauf zum Bundesgerichtshof.
Wir sind der Überzeugung, dass dieses Problem in Angriff genommen werden muss. Es ist uns klar, dass eine Änderung der Bürgerlichen Gesetzbuches speziell für diese oft uneinschätzbaren jungen
Menschen in Pflegefamilien schwer vorstellbar ist, trotzdem müssen wir uns mit dieser Problemlage ernsthaft beschäftigen
- nicht nur die Pflegeeltern, und ihre Verbände, sondern auch die öffentlichen und freien Träger der Jugendhilfe, die Pflegekinder vermitteln und Pflegeeltern beraten und betreuen.
Wenn wir bisher auf dieses Thema hingewiesen haben, sind wir auf Sprachlosigkeit und Hilflosigkeit gestoßen.
Ein Versicherungsschutz kann nicht herbeigezaubert werden, das wissen wir. Ist aber ein anderer Schutz möglich? Etwas, was das bisher allein durch die Pflegeeltern zu tragende Risiko abmindern
kann?
Durch wen oder was könnten Pflegeeltern ihre Schäden ersetzt bekommen? Wäre ein Fond denkbar? Würde sich eine Stiftung der Angelegenheit annehmen können? Was könnten wir alle gemeinsam bewirken?
Auch wir haben noch keine Lösung, wissen aber, dass wir eine finden müssen!
Pflegegeld
11.01.2018
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit einem Beschluss vom 24. November 2017 klargestellt, dass das Pflegegeld aus der Pflegeversicherung nicht auf das Pflegegeld im Rahmen der
Vollzeitpflege angerechnet werden darf. In diesem Beschluss äußert sich das BVerwG auch zur Frage der Übernahme bisheriger Pflegegeld-Vereinbarungen nach § 37 2a SGB VIII bei einem
Wechsel der Zuständigkeit.
In den letzten Jahren sind Träger der öffentlichen Jugendhilfe mehr und mehr dazu übergegangen, das Geld, welches den Pflegeeltern für eine Beeinträchtigung ihres Pflegekindes aus der
Pflegeversicherung bezahlt wurde, auf das Pflegegeld im Rahmen der Vollzeitpflege anzurechnen.Es hat bereits mehrere Gutachten und Gerichtsverfahren in dieser Frage gegeben.
Nun hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss deutlich gemacht, dass eine solche Verrechnung nicht möglich ist, da eine Anrechnung des Pflegeversicherungsgeldes das den Pflegeeltern
zustehende Pflegegeld nach § 39 SGB VIII vermindern würde - und es für eine solche Verrechnung keine gesetzliche Grundlage gibt.
Mit Blick auf den § 37. 2a SGB VIII
Die Art und Weise der Zusammenarbeit sowie die damit im Einzelfall verbundenen Ziele sind im Hilfeplan zu dokumentieren. Bei Hilfen nach den §§ 33, 35a Absatz 2 Nummer 3 und § 41
zählen dazu auch der vereinbarte Umfang der Beratung der Pflegeperson sowie die Höhe der laufenden Leistungen zum Unterhalt des Kindes oder Jugendlichen. Eine Abweichung von den dort
getroffenen Feststellungen ist nur bei einer Änderung des Hilfebedarfs und entsprechender Änderung des Hilfeplans zulässig.
vertritt des Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss die Meinung, dass diese Regelung
zwar im Interesse der Hilfekontinuität in Vollzeitpflegestellen sicherstellen soll, dass Änderungen im Leistungsinhalt nicht allein durch den Zuständigkeitswechsel legitimiert werden,
dass dies jedoch nicht einer veränderten Berechnung des Pflegegeldes entgegen steht, weil aus ihr nicht folgt, dass "nach einem Zuständigkeitswechsel der zuständig gewordene
Jugendhilfeträger bei der Bemessung des Pflegegeldes nach § 39 SGB VIII an die Höhe des pauschalierten Satzes des Grundbetrages für Pflege und Erziehung des zuvor zuständigen
Ju-gendhilfeträgers gebunden ist.
Dank
Dank an Rechtsanwältin Gila Schindler, die dieses Urteil erstritten hat und an den Bundesverband behinderter Pflegekinder e.V., die es als erster veröffentlicht haben.
Beschluss des
Bundesverwaltungsgerichts AZ 5 C 15.16 vom 24. November 2017
Bündnis gegen Schütteltrauma
03.11.2017
Jährlich werden schätzungsweise zwischen 100 und 200 Säuglinge und Kleinkinder mit Schütteltrauma in deutsche Kliniken gebracht. Das Bündnis gegen Schütteltrauma warnt: Ein schreiendes
Baby zu schütteln bringt es immer in größte Gefahr.
Mit einem breiten bundesweiten Bündnis klärt das Nationale Zentrum Frühe Hilfen (NZFH) im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) über die
Gefahr des Schüttelns von Säuglingen und Kleinkindern auf. Zahlreiche Verbände, Vereine und Einrichtungen aus dem Gesundheitswesen, dem Kinderschutz sowie der Kinder- und Jugendhilfe sind dem
„Bündnis gegen Schütteltrauma“ beigetreten.
Einen Informationsflyer und ein Plakat stellt das NZFH kostenlos zur Verfügung.
Das NZFH vereint mit dem „Bündnis gegen Schütteltrauma“ regionale und bundesweite Präventionsmaßnahmen gegen Schütteltrauma. Ziel des gemeinsamen Engagements ist es, auf der Basis eines
breitangelegten Bündnisses alle Eltern und werdenden Eltern zu erreichen. Eine repräsentative, bundesweite Umfrage des NZFH von Mai 2017 zeigt einen dringenden Handlungsbedarf. 42 Prozent der
befragten 1.009 Frauen und Männer haben danach noch nie den Begriff Schütteltrauma gehört. 24 Prozent der Befragten unterliegen dem Irrtum, dass Schütteln „vielleicht nicht so schön für ein
schreiendes Baby ist, ihm aber auch nicht schadet“. Zwei Drittel der Befragten weiß nicht, dass es eine bestimmte Schreiphase im Säuglingsalter gibt.
Nichtakzidentelle Kopfverletzungen, zu denen das Schütteltrauma zählt, sind bei Säuglingen und Kleinkindern die häufigste nicht natürliche Todesursache. Jährlich werden schätzungsweise zwischen
100 und 200 Säuglinge und Kleinkinder mit Schütteltrauma in deutsche Kliniken gebracht. Zwischen 10 und 30 Prozent der geschüttelten Kinder sterben. Zwei Drittel der Säuglinge und Kleinkinder mit
Diagnose Schütteltrauma leidet lebenslang unter den Folgen des Schüttelns. Sie umfassen Krampfanfälle sowie geistige und körperliche Behinderungen.
In Kooperation mit den Bündnispartnern informiert das NZFH Eltern über die gesundheitlichen Folgen des Schüttelns und zeigt ihnen, wie sie mit einem schreienden Baby umgehen und einen möglichen
Kontrollverlust verhindern können. Denn langanhaltendes, unstillbares Babyschreien ist häufig der Auslöser für das Schütteln eines Babys.
Das NZFH wird die Präventionsmaßnahmen in die Aktionen und Maßnahmen der Frühen Hilfen verankern, um die Nachhaltigkeit der Maßnahmen sicherzustellen. Die Frühen Hilfen verfügen über ein
flächendeckendes Netzwerk in allen Kommunen Deutschlands.
Quelle: Webseite der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung vom 30. Okt. 2017
23.09.2017
Das Gesetz zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (SGB VIII-Reform) ist erneut von der Tagesordnung des Bundesrats genommen worden.
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 22. September 2017 den TOP 6 über das "Gesetz zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz - KJSG)", dessen Kern
Änderungen des SGB VIII sind, von der Tagesordnung genommen und an den Ausschuss zurückverwiesen.
Kommentar von Norbert Struck - PARITÄTISCHER
"In der Konsequenz wird es dann wohl in der November-Sitzung des Bundesrates zu einem Beschluss des Bundesrates kommen. Politisch kann man davon ausgehen, dass das Gesetz damit gescheitert
ist und in der November-Sitzung förmlich abgelehnt werden wird."
Zum "Tag des alkoholgeschädigten Kindes" am 9. September informiert die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) über die Risiken von Alkoholkonsum in der Schwangerschaft
Presseerklärung
Köln/Berlin, 06. September 2017
Anlässlich des „Tages des alkoholgeschädigten Kindes“ am
09. September 2017 machen die Drogenbeauftragte der Bundesregierung und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) werdende Mütter auf die Folgen des Alkoholkonsums in der
Schwangerschaft aufmerksam. Jedes Jahr werden Schätzungen zufolge mindestens zweitausend Kinder mit dem Fetalen Alkoholsyndrom (FAS) geboren, rund zehntausend Kinder leiden an so genannten
Fetalen Alkohol-Spektrum-Störungen (FASD).
Marlene Mortler, Drogenbeauftragte der Bundesregierung: „Kaum etwas kann dem ungeborenen Kind so große Schäden zufügen wie der Alkoholkonsum der Mutter während der Schwangerschaft. Die Folgen
können zu einer lebenslangen Belastung werden - für die betroffenen Kinder, aber auch für die ganzen Familien. FAS und FASD sind zu hundert Prozent vermeidbar. Deshalb muss in der Schwangerschaft
für jede werdende Mutter eine ganz klare 0,0-Promille-Grenze gelten. Ziel der Bundesregierung ist es, Frauen dafür zu gewinnen, während der Schwangerschaft vollständig auf Bier, Wein und Co. zu
verzichten. Außerdem versuchen wir, mit einer ganzen Reihe von Maßnahmen den betroffenen Kindern beizustehen. Sie brauchen unsere Hilfe und das leider häufig ein Leben lang.“
Dr. Heidrun Thaiss, Leiterin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), erklärt: „Es ist nicht nachvollziehbar, dass mehr als ein Viertel der Frauen selbst dann noch Alkohol
trinken, wenn ihnen bekannt ist, dass sie schwanger sind. Sie unterschätzen entweder das Risiko oder sie kennen es gar nicht. Deswegen informiert die BZgA auch weiterhin gemeinsam mit dem
Berufsverband der Frauenärzte e. V. über die Risiken des Alkoholkonsums in der Schwangerschaft. Die Zusammenarbeit erweist sich als erfolgreich, denn über zwei Drittel der Schwangeren, die wir
mit den BZgA-Materialien in den Praxen erreichen konnten, geben an, sich anhand der Broschüren über das Thema informiert zu haben.“
Die Schädigungen des Kindes im Mutterleib durch Alkoholkonsum können erheblich sein. In den meisten Fällen leiden die Kinder ihr Leben lang: Bereits in der Schwangerschaft ist das Wachstum
verzögert, die Gehirnentwicklung wird beeinträchtigt. Von Geburt an ist die gesamte Entwicklung verzögert. Betroffene Kinder haben Schwierigkeiten, das richtige Maß an Nähe und Distanz zu anderen
Menschen zu finden. Außerdem sind häufig die kognitiven Fähigkeiten eingeschränkt.
Um werdende Mütter auf die Risiken des Alkoholkonsums in der Schwangerschaft aufmerksam zu machen, können die regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen in gynäkologischen Praxen genutzt werden. Hierfür
werden Gynäkologinnen und Gynäkologen Informationsmaterialien wie Plakate, Broschüren und Faltblätter zur Verfügung gestellt.
Die BZgA informiert zusammen mit dem Berufsverband der Frauenärzte über die Risiken des Alkoholkonsums. Sie unterstützt werdende Mütter, denen es schwerfällt, auf Alkohol zu verzichten, auch
online und anonym beim Konsumstopp. Hilfe bietet das Internetportal IRIS unter www.iris-plattform.de.
Kommt das Gesetz zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen jetzt doch noch?
06.09.2017
Auf der nächsten Sitzung des Bundesrates am 22. Sept. 2017 soll das Gesetz nun beraten und verabschiedet werden.
Zwei Tage vor der Bundestagswahl gibt es eine Sitzung des Bundesrats. Auf der Tagesordnung wird auch das Gesetz zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen aufgeführt. So kann es
passieren, dass nun doch noch im allerletzten Moment vor einer neuen Regierung dieses so lang diskutierte Gesetz den Bundesrat passiert und somit 2018 rechtskräftig werden kann.
Am 20.06.2017 von 14:00 - 17:00 Uhr veranstaltet der Bundesverband behinderter Pflegekinder eine Demonstration in Berlin.
Teilnehmer und Unterstützer sind herzlich willkommen.
Der Bundesverband behinderter Pflegekinder schreibt unter anderem in seinen Erläuterungen:
"Im Mai liegt die Bundesfachtagung „Türen öffnen“ an den Rheinterrassen 10 Jahre zurück. Zehn Jahre später sind wir von einer inklusiven Pflegekinderhilfe weiter entfernt denn je.
Tatsächlich dreht sich die Spirale weiter nach unten. Mangelnde Übergangsparagraphen, keine Kontinuitätssicherung, keine Rechtssicherheit, „unsere“ Kinder finden ihre Pflegefamilien zufällig und
nicht gesetzlich beansprucht, keine Rahmenbedingungen für Pflegefamilien mit Kindern mit Behinderung und vieles mehr."
"Wir müssen nun für diese Kinder laut und deutlich werden. Unser Thema muss in die nächsten Koalitionsverhandlungen. Es bedarf Übergangsregelungen, die bis zur inklusiven Lösung Bestand
haben."
"Wir fordern zum jetzigen Zeitpunkt keine mittelfristigen oder langfristigen gesetzlichen Lösungen. Wir brauchen für unsere Familien und deren Pflegekinder mit Behinderung „Erste Hilfe“ per
Gesetz!"
Natürlich braucht der Bundesverband aktive Helfer, Support, Spenden und Paten für diese
Veranstaltung.
PFAD Bundesverband e.V., der Bundesverband behinderter Pflegekinder e.V., die 'Agenda Pflegefamilien' und das 'Aktionsbündnis Kinder mit Behinderungen
in Pflegefamilien' haben eine gemeinsame Stellungnahme zum Referentenentwurf des Kinder- und Jugendstärkungsgesetz - KJSG erarbeitet und dem
Bundesministerium zugesandt.
Stellungnahme
Als PFAD Bundesverband möchten wir zunächst ausdrücklich darauf hinweisen, dass angesichts der Fristsetzung zur Stellungnahme eine vertiefte Analyse der
vorgelegten Änderungsvorschläge nicht möglich war. Die nachfolgende Stellungnahme greift damit die aus unserer Sicht ins Auge springenden Fragen und
Konsequenzen auf. Wir bitten insoweit um Verständnis, dass gebotene Qualität immer der umfänglichen Befassung bedarf, die hier nicht geleistet werden
konnte.
Dies vorausgeschickt, begrüßen wir im Übrigen die mit dem vorgelegten Gesetzesentwurf angedachten Veränderungen im BGB und im SGB VIII grundsätzlich. Unser
Eindruck ist allerdings, dass nicht alle Gesetzesformulierungen dem Ziel des Gesetzes „zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen“ gerecht werden. Der
Referentenentwurf beinhaltet sieben Artikel. Aus der Sicht der Pflegekinderhilfe äußern wir uns zu den Artikeln 1 und 5. Das heißt im Einzelnen:
Artikel 1
zum Thema Ombudsstellen (§ 1 (4) Nr. 5 und
§ 9a):
Der PFAD Bundesverband begrüßt ausdrücklich diesen ersten Schritt zur bundesweiten Schaffung von Ombudsstellen. Die Formulierung „kann“ bedeutet jedoch, dass
dies eine freiwillige Leistung der öffentlichen Jugendhilfe ist. Notwendig finden wir zumindest in der Gesetzesbegründung Ausführungen, die die Länder
auffordern, wenigstens auf Landesebene eine Ombudsstelle verbindlich einzurichten.
Aktuell haben viele Kommunen permanent Ebbe in ihren Kassen. Somit werden in den Kommunen, in denen eine Ombudsstelle am notwendigsten ist, keine eingerichtet,
weil keine Finanzierung möglich ist. Um trotzdem den in diesen Kommunen lebenden jungen Menschen und ihren Familien eine ombudschaftliche Beratung sowie
Vermittlung anbieten zu können, sehen wir die Einrichtung von Ombudsstellen auf Landesebene als zwingend an, um das Ziel des Gesetzes zu verwirklichen.
Zum Thema Leistungsberechtigte
(§ 27)
Wir bedauern, dass die Idee, dass Kinder und Jugendliche auch einen eigenen Leistungsanspruch auf pädagogische Hilfen haben, im aktuellen Entwurf weggefallen
ist. Speziell für Pflegekinder, die nicht mit ihrem personensorgeberechtigten Elternteil zusammenleben, kann der Bereich der Hilfen zur Erziehung als
Machtinstrument missbraucht werden. Nicht selten erleben wir es, dass bei Konflikten um Herausgabe oder Verbleib die antragsberechtigten
personensorgeberechtigten Eltern keinen (neuen) Antrag auf Hilfen zur Erziehung stellen und in einigen Jugendämtern dann die Unterhaltsleistungen nach §39 SGB
VIII für die davon betroffenen Kinder und Jugendlichen eingestellt wird.
Auch die Gesetzesbegründung zu Artikel 5 gibt hier keine klare Auskunft.
zum Thema „Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche mit seelischer Behinderung oder drohender seelischer Behinderung“
(§ 35a)
Für die Praxis der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, die von Behinderung betroffen oder bedroht sind, ist die weiterhin und nun bis auf weiteres bestehende,
nach Behinderungsformen getrennte Zuständigkeit der Sozialleistungsträger ein erheblicher Nachteil. Immer wieder werden Energien gebunden, um
Zuständigkeitsfragen zu klären, anstatt sich auf qualitativ hochwertige Leistungen zu konzentrieren. Insbesondere angesichts der Einigkeit von Praktikern,
Experten und zuletzt auch der Politik, dass hier nur die Inklusive Lösung Abhilfe schaffen kann, bedarf dieses Versäumnis des vorliegenden Gesetzentwurfs der
Erklärung.
Darüber hinaus ist allerdings zu beachten, dass mit Normierung der Änderungen der Eingliederungshilfe mit dem Bundesteilhabegesetz im SGB IX notwendige
Änderungen der Leistungen entsprechend der Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen nicht bedacht wurden, da zu diesem Zeitpunkt Einigkeit bestand, dass die
Inklusive Lösung hergestellt würde. Folglich wären alle Leistungen an und Rahmenbedingungen für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen im SGB VIII zu finden
gewesen. Da es dazu nicht gekommen ist, sehen wir es als zwingende Aufgabe des Gesetzgebers der Kinder- und Jugendhilfe im vorliegenden Gesetzgebungsverfahren
zumindest die dringendsten Änderungsbedarfe im zukünftig geltenden SGB IX aufzugreifen und zu befriedigen.
wichtiger Hinweis
So bedarf es aufgrund des vorgesehenen Inkrafttretens der Änderungen in § 35a zum 1.1.2020 aus Sicht der Pflegekinderhilfe für Kinder und Jugendliche mit
Behinderungen des folgenden Hinweises:
Der für die Pflegekinderhilfe maßgebliche Absatz 3 des § 54 SGB XII hat aktuell eine Geltungsdauer bis 31.12.2018. Die Regelung zur Pflegekinderhilfe mit
§ 80 SGB IX tritt zwar bereits am 1.1.2018 in Kraft, gilt jedoch für die Träger der Eingliederungshilfe erst ab dem 1.1.2020. Damit entsteht die
Situation, dass ab 1.1.2019 für Kinder mit geistiger oder körperlicher Behinderung die Leistung Familienpflege keine ausdrückliche Rechtgrundlage hat. Hier ist
dringend Nachbesserungsbedarf.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass weder das SGB XII noch das insoweit demnächst geltende SGB IX Ausführungsbestimmungen zum § 54 Absatz 3 SGB XII
kennen. Ob und wie dieser Paragraph mit Leben erfüllt wird, ist somit abhängig vom finanziellen Spielraum jedes einzelnen Sozialleistungsträgers. Für
behinderte Kinder, die bereits in Pflegefamilien untergebracht sind und noch werden, gibt es keine Mindeststandards, um sowohl den Schutz als auch Pflege und
Erziehung qualitativ sicherzustellen.
zum Thema „Ergänzende Bestimmungen zur
Hilfeplanung bei stationären Leistungen“ (§ 36a)
Schon allein mit der Überschrift wird noch einmal verdeutlicht, dass Hilfe zur Erziehung in
Vollzeitpflege und auch Eingliederungshilfe in einer Pflegefamilie stationäre Hilfen darstellen. Sinnvoll und notwendig wäre es, wenn diese Auffassung auch auf
die Leistungen im Kontext von Eingliederungshilfe nach § 54 Absatz (3) übertragen wird.
Im Übrigen können wir die ergänzenden Bestimmungen zur Hilfeplanung voll unterstützen. Wir halten es für zwingend erforderlich, dass schon ab dem ersten
Hilfeplan eine Festlegung der Zielstellung – befristete Hilfe oder neuer Lebensort – erfolgt. Wir schließen nicht aus, dass es im Verlauf von Hilfen auch
Änderungen der Lebensperspektive geben kann.
Der Absatz 2 hat den Regelungsgehalt des bisherigen § 37 Absatz 1 ab Satz 2 übernommen. Wir finden, dass die neue Zuordnung zu den Bestimmungen zur
Hilfeplanung eine bessere Zuordnung ist als in der a.F. Damit wird die Verantwortung des öffentlichen Trägers der Jugendhilfe für diese Bestandteile der
Hilfeplanung klar formuliert.
Begrüßenswert ist auch die eindeutige Formulierung der Beteiligung der Kinder und Jugendlichen sowie der Erziehungsberechtigten bei der Auswahl der Einrichtung
bzw. Pflegefamilie. Auch die Öffnung für Träger, mit denen der öffentliche Träger keine Vereinbarungen nach § 78a ff hat, ist in dieser Form
begrüßenswert.
Die im Referentenentwurf enthaltene Verpflichtung der Beratung der (leiblichen) Eltern, unabhängig vom Ziel der Hilfe ist fachlich notwendig und findet unsere
volle Unterstützung.
zum Thema „Übergangsmanagement“
(§ 36b)
Es ist sinnvoll, im Rahmen der Hilfeplanung darauf zu achten, dass rechtzeitig Übergänge geplant werden. Den Start für das „Übergangsmanagement“ auf ein Jahr,
bevor junge Menschen selbst Leistungsberechtigte der Hilfen (§ 41) werden, zu setzen, erscheint auch ein angemessener Zeitraum.
Trotzt dieser grundsätzlich positiven Haltung zur vorgeschlagenen Regelung, halten wir sie aufgrund unserer Erfahrungen aus der Praxis nicht für ausreichend,
um Übergänge in andere
Sozialleistungssysteme erfolgreich zu gestalten.
Leider gibt es im Übrigen weder im Gesetzestext noch in der Gesetzesbegründung einen Hinweis wie der Begriff „Verselbstständigung“ auszulegen ist. Wir
befürchten hier zusätzliche erhebliche Rechtsunsicherheit und vor allem die Möglichkeit, dass Hilfen eher aus Kostengründen denn aus fachlichen Gründen beendet
werden können. Prinzipiell wird dieser Begriff in diesem Kontext von uns nicht abgelehnt.
Wenngleich aus rechtlicher Sicht nur Minderjährige einen Erziehungsbedarf haben, so ist darauf zu achten, dass Volljährige entsprechende pädagogische
Hilfebedarfe haben, um das Ziel der Verselbstständigung zu erreichen. Aus unserer Erfahrung werden diese Bedarfe bislang häufig negiert.
Tatsächlich ist es aber so, dass viele junge Menschen, die in stationären Hilfen aufwachsen einen Nachreifungsbedarf haben. Dieser Nachreifungsbedarf muss
gedeckt werden, um einen erfolgreichen Übergang entweder in die Selbstständigkeit oder in eine andere Leistungsform sicherzustellen. Aus diesem Grund ist es
uns wichtig, Selbstständigkeit nicht an formalen Kriterien wie Alter, Schulabschluss, Erwerbstätigkeit festzumachen, sondern wirklich den Stand der
Persönlichkeitsentwicklung in den Blick zu nehmen und dabei insbesondere die Sicht der leistungsberechtigten jungen Volljährigen zu berücksichtigen. Deshalb
ist es notwendig und sinnvoll, den Bedarf an persönlicher Sorge, Unterstützung und Hilfe so zu erfassen, dass auch die Unterstützung der Persönlichkeit in der
Phase der Nachreifung umfasst wird.
Wir erwarten, dass eine Konkretisierung zum Inhalt von Verselbstständigung mindestens in die
Gesetzesbegründung aufgenommen wird.
Da die Inklusive Lösung mit dem vorliegenden Entwurf nicht hergestellt wird, ist die Kinder- und Jugendhilfe nur für die Kinder und Jugendliche mit
Behinderungen vorrangig zuständig, die von seelischer Behinderung betroffen oder bedroht sind. Da die kommunalen Träger schon allein aus Kostengründen mehr und
mehr darauf achten, die vorrangige Zuständigkeit der Eingliederungshilfe nach § 10 Abs. 4 S. 2 SGB VIII auch einzufordern, ist davon auszugehen, dass vor
allem junge Volljährige mit seelischen Behinderungen vom Übergangsmanagement betroffen sein werden. Hier gilt grundsätzlich die vorrangige Zuständigkeit der
Kinder- und Jugendhilfe bis zum 27. Lebensjahr. Soll ein Übergang früher stattfinden, so dürfte dies also nach der Formulierung der Norm nur der Fall sein,
wenn das Ziel der Verselbstständigung nicht erreicht werden kann. Angesichts der grundsätzlich vorrangigen Zuständigkeit der Kinder- und Jugendhilfe bedarf es
für die Überleitung in ein anderes Sozialleistungssystem jedoch des Einvernehmens mit dem zumindest aus Sicht der Kinder- und Jugendhilfe künftig vorrangig
zuständigen Träger. Dieser soll zwar in die Hilfeplanung einbezogen werden, nur ergibt sich für diesen Träger daraus keine Pflicht zur Teilnahme. Aus unserer
Praxiserfahrung wissen wir, dass die Träger der Eingliederungshilfe nach §§ 53 ff. SGB XII wenig bis kein Interesse an der Übernahme der betreffenden
Einzelfälle haben. Im Zweifel werden sie auf die vorrangige Zuständigkeit der Kinder- und Jugendhilfe verweisen und sich ihrer Leistungspflicht entziehen.
Vor diesem Hintergrund stellt sich insbesondere die Frage, wie Absatz 4 der Norm zu verstehen ist.
Dort heißt es: Absatz 1 bis 3 gälten entsprechend, „wenn Hilfen nach diesem Abschnitt auf der
Grundlage des Hilfeplans beendet werden sollen und nach fachlicher Einschätzung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe andere Sozialleistungs- oder
Rehabilitationsträger ab dem Zeitpunkt der Beendigung zuständig werden.“ Aus unserer Sicht kann die Norm nur so verstanden werden, dass sie sich auf Leistungen
nach dem 27. Lebensjahr bezieht. Denn nur dann ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe ggf. nicht mehr zuständig und darf Leistungen aus diesem Grund
beenden. Geht es indes um Hilfe für einen jungen Menschen unter 27, so ist von einer nachrangigen Zuständigkeit der Kinder-und Jugendhilfe auszugehen und wäre
die Einstellung notwendiger Hilfen so lange rechtswidrig, so lange nicht ein verbindlicher Übergang an einen vorrangig zuständigen Leistungsträger erfolgt ist.
Wir halten die Regelung jedoch für missverständlich und müssen aus unseren konkreten Erfahrungen heraus befürchten, dass bei von Behinderung betroffenen jungen
Volljährigen die Träger der öffentlichen Jugendhilfe meinen, nicht mehr zuständig zu sein und die Hilfe auch ohne erfolgten Zuständigkeitswechsel beenden zu
dürfen.
Dies führt insbesondere für Pflegefamilien mit jungen volljährigen, von Behinderung betroffenen Pflegekinder zu desolaten Situationen: der Träger der
öffentlichen Jugendhilfe stellt seine Hilfe unter Verweis auf die negative Prognose zur Selbstständigkeitsentwicklung des jungen Menschen ein.
Diese Prognose hat er – wie gesetzlich verlangt – im Rahmen des Übergangsmanagements getroffen und dort auch seine Auffassung vertreten, dass künftig der
Träger der Eingliederungshilfe für erforderliche Hilfen zuständig sei. Dieser ist dem Ruf nach Beteiligung an der Hilfeplanung jedoch nicht gefolgt und trifft
auch sonst keinerlei Anstalten zur Übernahme des Hilfefalls. Er verweist die Familie auf die aus seiner Sicht weiterhin geltende vorrangige Zuständigkeit der
Kinder- und Jugendhilfe.
Wir bitten um Erläuterung, wie nach Meinung des Gesetzgebers der Kinder- und Jugendhilfe mit dieser Situation verbindlich umzugehen ist. Wir weisen darauf hin,
dass gerade der Übergang in die Volljährigkeit für Pflegekinder mit Behinderungen mit erheblichen Herausforderungen einhergeht und Wechsel der Leistungsträger
von gesetzlichen Regelungen flankiert sein müssen, die keinerlei Zweifel an der Zuständigkeit bzw. der Leistungspflicht aufkommen lassen. Diese Anforderungen
sehen wir mit der ausschließlich einseitig verpflichtenden Norm des § 36b SGB VIII nicht als erfüllt an.
In der Fassung des § 36b fehlt uns darüber hinaus eine Formulierung, die aussagt, wer wie in
Vorleistung geht, wenn andere Leistungsträger (BAföG, BAB, …) nicht ohne Lücke die
Unterhaltssicherung übernehmen. Es kann nicht sein, dass junge Erwachsene ohne finanzielle
Unterstützung aus der Jugendhilfe, womöglich in die Wohnungslosigkeit, entlassen werden, oder es als Selbstverständlich gesehen wird, dass die bisherigen
Pflegeeltern als Ausfallbürgen herhalten.
zum
Thema Hilfe für junge Volljährige, Nachbetreuung (§41)
Mit dieser Formulierung wird die Coming Back Option von der Dauer der Unterbrechung der
Hilfegewährung eindeutig entkoppelt. Galt bisher in der Praxis eine „Faustregel“ dass es nur eine kurze Unterbrechung sein durfte (teilweise gefasst als
maximal drei Monate) gilt dieses nun nicht mehr. Diese Regelung begrüßen wir gerade im Interesse der Pflegekinder ausdrücklich.
zum Thema „Jugendhilfeausschuss, Landesjugendhilfeausschuss“ (§ 71)
Die Stärkung von selbstorganisierten Zusammenschlüssen von Pflegeeltern und jungen Menschen und ihren Familien, die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe
erhalten, ist ein wichtiger Schritt zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen.
zum Thema „Vereinbarungen über Kostenübernahme
und Qualitätsentwicklung“ (§ 78 n.F.)
Der Absatz 2 soll zum Ausdruck bringen, dass der öffentliche Träger auch mit freien Trägern, die Leistungen nach § 37 und 37a erbringen, Vereinbarungen
über Inhalt, Umfang und Qualität der Leistung, über Grundsätze und Maßstäbe für die Bewertung der Qualität der Leistung sowie über geeignete Maßnahmen zu ihrer
Gewährleistung abschließen soll.
Wir begrüßen insbesondere die analoge Anwendung des § 78e und sähen es als sinnvoll an, dies generell für ambulante Dienstleistungen zu übernehmen.
Gleichzeit halten wir es für erforderlich, dass die analoge Anwendung von § 78b Abs. 3 3 erfolgt und damit Einzelfälle geregelt werden, bei denen keine
Vereinbarung vorliegt. Eine Schlechterstellung von Leistungsberechtigten ist hier sicher nicht gewollt und muss ausgeschlossen werden.
zum Thema
„Kostenheranziehung“ (§§ 90 bis 94)
Begrüßenswert ist die Anpassung der Kostenheranziehung von jungen Menschen, die Leistungen der Jugendhilfe in Anspruch nehmen. Mit den hier getroffenen
Regelungen eines generellen Freibetrages und der Reduzierung auf 50% statt bisher 75 % des bereinigten Einkommens sind bessere Verhältnisse geschaffen.
Artikel 5
Die vorgeschlagene Erweiterung des § 1632 Absatz 4 um einen Satz 2 begrüßen wir ausdrücklich. In der hier gewählten Formulierung wird inhaltlich an die
Formulierung im SGB VIII angeknüpft und eine entsprechende zivilrechtliche Absicherung eines stabilen und kontinuierlichen Lebensortes für das Kind ermöglicht.
Selbst die folgenden Paragraphen (1696 und 1697a), greifen im Kontext der Herstellung der
Erziehungsfähigkeit der leiblichen Eltern als bedeutsames Entscheidungskriterium des Kindeswohls die Bedürfnisse des Kindes nach kontinuierlichen und stabilen
Lebensverhältnissen auf. Damit ist auch auf der Ebene familiengerichtlicher Entscheidungen eine wirkliche Stärkung von Kindern und Jugendlichen möglich.
Kinder, die lange in Einrichtungen nach § 34 SGB VIII oder in Familienpflege nach § 35a SGB VIII bzw. 54 (3) SGB XII gelebt haben, verdienen ebenso
den Schutz ihres Lebensortes wie Kinder in Pflegefamilien. Aus diesem Grund findet die Anwendung der neuen BGB Regelung auch auf diese jungen Menschen unsere
volle Unterstützung.
PFAD Bundesverband der Pflege- und Adoptivfamilien e.V.
Bundesverband behinderter Pflegekinder e.V.
Agenda-Pflegefamilien
Aktionsbündnis Kinder mit Behinderungen in Pflegefamilien
22.03.2017
Im Februar 2017 hat der Runde Tisch der Adoptiv- und Pflegefamilienverbände eine aktualisierte Stellungnahme zur Vereinheitlichung und Verbesserung der Pflegekinderhilfe erarbeitet.
Pflegekinder
in Deutschland - Forderungen an Politiker, öffentliche und freie Träger
In Deutschland leben fast 84.000 Kinder und Jugendliche in Pflegefamilien.
Nachweislich ist die Unterbringung von Kindern und Jugendlichen in Pflegefamilien eine der langfristig wirtschaftlichen und erfolgreichsten Hilfen zur Erziehung.
Dennoch zeichnet sich das Pflegekinderwesen in Deutschland durch unterschiedliche landesrechtliche Regelungen und regional große Unterschiede in seiner Fachlichkeit und praktischen Umsetzung aus.
Wenn das Pflegekinderwesen als nicht verzichtbare Hilfe zur Erziehung langfristig Bestand haben soll, sind Verbesserungen der gesetzlichen Grundlagen und der Rahmenbedingungen der
Pflegekinderhilfe dringend erforderlich.
Wir Pflegefamilienverbände erwarten im Interesse der Pflegekinder, dass folgende Missstände geändert werden:
Landesjugendämter haben hervorragende Qualitätsstandards für die Pflegekinderarbeit entwickelt. Da diese Standards nur Empfehlungen sind, haben sie keinen verpflichtenden Charakter gegenüber
den kommunalen Jugendhilfeträgern.
Die Unterbringung von Kindern mit Behinderungen in Pflegefamilien ist derzeit gesetzlich nicht klar geregelt. Bisher schieben sich die Eingliederungshilfe und die Jugendhilfe gegenseitig die
Verantwortung zu und sie kommunizieren nicht miteinander.
Durch die derzeitigen gesetzlichen Regelungen ist keine Kontinuität der Ausstattung, Beratung und Betreuung gesichert. Pflegeverhältnisse und die Hilfepläne werden durch Wechsel der
Zuständigkeiten wiederholt in frage gestellt.
Die Hilfe zur Erziehung endet oft rigoros mit dem 18. Lebensjahr. Im SGB VIII ist geregelt, dass für junge Volljährige der Verbleib in der Pflegefamilie auch bis zum 21. Lebensjahr gewährt
werden kann. Anträge werden häufig abgelehnt.
Durch fehlende gesetzliche Grundlagen im Familienrecht besteht eine fortdauernde rechtliche Unsicherheit hinsichtlich eines Verbleibs des Kindes in der Pflegefamilie. Das Kind muss jederzeit
und wiederholt eine Herausnahme befürchten.
Bei gerichtlichen Verfahren zu Umgangskontakten und Rückkehrwünschen der Herkunftseltern des Pflegekindes, können Pflegeeltern nur dann daran teilnehmen, wenn das Gericht sie als Beteiligte
hinzuzieht.
Bei familiengerichtlichen Verfahren zu Umgang oder Herausgabe, die Kinder mit Behinderungen betreffen, fehlt häufig die fachliche Expertise zur Entscheidungsfindung.
Das gesetzlich mögliche Wunsch- und Wahlrecht nach § 5 SGB VIII für Beratung und Betreuung wird Pflegeeltern verweigert.
Wir Pflegefamilienverbände fordern:
1. die Gesamtzuständigkeit der Kinder- und Jugendhilfe für alle Kinder
2. bundeseinheitliche Mindeststandards in der Pflegekinderhilfe
Verpflichtende Einrichtung eines Spezialdienstes für Pflegekinder mit maximaler Fallzahl von 25 Pflegekindern pro Vollbeschäftigten
verpflichtende Fort- und Weiterbildung der FachberaterInnen
schriftlich festgelegte Qualitätsstandards für die Vorbereitungs-, Vermittlungs- und Beratungstätigkeit
alle öffentlichen Träger müssen auch Pflegestellen nach § 33 Satz 2 vorhalten.
Fallführung im SGB VIII für Kinder mit Behinderung in Eingliederungshilfe
3. Umsetzung bundeseinheitliche Mindestausstattung der Pflegefamilien
umfassende Beratung über die rechtlichen und finanziellen Ansprüche der Pflegefamilie
umfassende Beratung zu pädagogischen und therapeutischen Themen
Supervisions- und Fortbildungsanspruch
Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Fortschreibung der Pauschalbeträge in der Vollzeitpflege (§§ 33, 39 SGB VIII) für das Jahr 2017 (bzw. des jeweiligen aktuellen Jahres) als
Mindestleistung
für Kinder mit besonderen Beeinträchtigungen erhöhte Aufwandsentschädigung
differenzierte Angebote zur Entlastung der Pflegeeltern unter Beachtung von vorrangigen Leistungsträgern
Übernahme von Krankenversicherungsbeiträgen für Selbstzahler (Pflegeeltern)
Übernahme der anteiligen Kosten einer angemessenen Alterssicherung pro Pflegekind.
4. Stärkung der Kompetenz des Fachdienstes, der Pflegekind und die Pflegefamilie betreut.
Verwaltungsmäßiger Wechsel der Zuständigkeit darf nicht zu Lasten des Pflegekindes und der Pflegefamilie führen.
5. Die Verlängerung der Hilfemaßnahme in der Pflegefamilie mindestens bis zum 21. Lebensjahr.
6. Änderung des BGB
Sicherung von Beziehungskontinuität durch Einführung einer zivilrechtlichen Absicherung (analog zum § 37 SGB VIII) der auf Dauer angelegten Lebensperspektive.
Der Verbleib eines Kindes in einer Pflegefamilie ist gegen wiederkehrendes Herausnahmeverlangen abzusichern.
Pflegekinder dürfen bei Gerichtsentscheidungen zu Umgangskontakten nicht länger mit Scheidungskindern verglichen werden (ergebnisoffene Prüfung im Einzelfall).
Fortbildung für Richter zu den Themen, die Pflegekinder betreffen, wie Bindung und Trauma.
Beteiligtenstatus für Pflegeeltern in allen familienrechtlichen Verfahren, die ihre Pflegekinder betreffen.
7. Abstimmung der unterschiedlichen Sozialleistungsressorts. Gesetzliche Regelungen in den Sozialgesetzbüchern dürfen einander nicht wiedersprechen.
8. Wunsch- und Wahlrecht von Pflegeeltern nach § 5 SGB VIII
Pflegeeltern müssen die Möglichkeit haben zu wählen. Das setzt voraus, dass mehrere Angebote vorhanden sind.
Pflegefamilien sind eine sehr kindorientierte Hilfe.
Damit sich auch in Zukunft Familien finden, die diese verantwortungsvolle Aufgabe übernehmen, brauchen wir auf allen Ebenen ein Engagement, das den Kindern ein glückliches und erfolgreiches
Erwachsenwerden ermöglicht.
Februar 2017
PFAD-BV e.V.
AGENDAPflegefamilien
BAG KiAP e.V.
Bundesverband behinderter Pflegekinder e.V.
Im Anhang finden Sie die Forderungen als pdf-Datei.
Wer als Kind oder Jugendlicher im institutionellen Bereich sexuell missbraucht wurde, kann weiterhin Leistungen aus dem Ergänzenden Hilfesystem sexueller Missbrauch (EHS) beantragen
Das sogenannte 'Kentler-Experiment' bedeutete Ende der 60er / Anfang der 70er Jahre in Berlin die Unterbringung einiger 13 - 17 jährigen Jungen bei pädophilen - wegen sexuellem
Missbrauchs verurteilten - Männern in Vollzeitpflege. In 2013 machten Berliner Medien auf das ‚Experiment‘ aufmerksam und forderten eine Aufarbeitung der Geschehnisse vom Berliner
Senat.
Der Landschaftsverband Rheinland - Landesjugendamt - möchte in seiner Publikation Jugendhilfereport 1/2017 einen Einblick in die aktuelle Entwicklung der Pflegekinderhilfe geben.
SGB VIII
21.11.2016
Der Arbeitsentwurf des BMFSFJ zum neuen SGB VIII vom 23.08.2016 ist vom Tisch - Anfang 2017 soll es einen Referentenentwurf zu einer kleinen SGB VIII Reform geben.
Aktueller Stand der SGB VIII-Reform -
Auszug aus der Webseite der IGFH
Arbeitsentwurf des BMFSFJ zum
neuen SGB VIII vom 23.08.2016 ist vom Tisch!!
Das Ringen um eine Reform des SGB VIII geht in eine neue Runde.
Aus den Gesprächen der Länder mit dem BMFSFJ erfahren wir: "dass der Bund den Arbeitsentwurf zur SGB VIII-Reform vom 23.08.2016 zurückziehen und in Kürze einen Referent_innenentwurf zu
einer kleinen SGB VIII-Reform bekannt geben werde." So fordert auch aktuell der neu gewählte Vorsitzende des Ausschusses für Soziales und Integration des Hessischen Städtetages - Stadtrat
Axel Weiss-Thiel aus Hanau – am 11.11.2016, dass der Bund seine Reformvorhaben in der Kinder- und Jugendhilfe sowie bezüglich des Bundesteilhabegesetzes verschieben sollte. "Mit den
Reformvorhaben werden neue Schnittstellen geschaffen, Personalbedarfe und Standards formuliert, die absehbar schon jetzt nicht erfüllt werden können. Zudem werden so viele neue Fragen
aufgeworfen, die es zunächst gilt, zu klären", heißt es in einer Presseinformation des Hessischen Städtetages.
Die Appelle und Aktivitäten – auch der Bundesfachverbände für Erziehungshilfen -, an das Bundesministerium den Arbeitsentwurf in der vorliegenden Form zurückzuziehen, haben also zunächst einmal
gewirkt!
Gleichzeitig haben die Fachverbände für Erziehungshilfen immer betont, dass Sie für eine dialogische Weiterentwicklung eines inklusiven Kinder- und Jugendhilferechtes mit dem BMFSFJ und den
anderen Verbänden der Behinderten- wie Jugendhilfe gerne verbindlich zur Verfügung stehen.
Nur noch eine kleine Reform
Eine kleine Reform des Kinder-und Jugendhilfegesetzes wird nun aber doch noch kommen.
Die Berichterstatterin des Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend des Bundestages, Ulrike Bahr SPD, informierte auf einer Fachveranstaltung am 9.11.2016 in Berlin darüber, dass die
Staatssekretärin des Bundesfamilienministeriums (BMFSFJ), Elke Ferner, den Ausschuss soeben davon in Kenntnis gesetzt habe, dass voraussichtlich eine erste Fassung eines Referent_innenentwurfs
des BMFSFJ den Ausschuss Ende Januar/Anfang Februar 2017 vorgelegt werde. Erst nach Ausschussbefassung werde es einen abgestimmten Entwurf mit Außenwirkung geben. Es sei aber geplant, das Gesetz
zu noch in der zu Ende gehenden Legislaturperiode möglichst bis zur Sommerpause zu verabschieden.
Weiterhin habe die Staatssekretärin erklärt, dass die in den Verbände - Anhörungen und darüber hinaus formulierte Kritik in die Überarbeitung bzw. Neugestaltung eines Referentenentwurfs
einfließen würden. Dies ist auch die Erwartung der bundesweiten Fachebene. Beim zweiten Anlauf muss systematischer die Beteiligung von Fachleuten, Verbänden und Forschung am gesamten
Gesetzesvorhaben gewährleistet sein. In einzelnen Teilbereichen der Neuregelungen ist ein dialogischer Weg mit der Fachebene (siehe Dialogforum Pflegekinderhilfe; siehe unter www.igfh.de) schon
beschritten worden. Dies entspricht im Übrigen auch den Forderungen des Koalitionsvertrages.
Wir können also gespannt sein, welche Themen der neue Entwurf aufgreifen wird und ob er schon eine inklusive Ausgestaltung des SGB VIII für alle Kinder und Jugendlichen – gleich ob mit oder ohne
Behinderungen – ins Auge nehmen wird, oder als dringende Aufgabe der nächsten Legislaturperiode überlässt. Zu vermuten ist, dass die angedachten Regelungen zur Betriebserlaubnis (§ 45 SGB
VIII) und zum Kinderschutz sowie zur Pflegekinderhilfe in alter Fassung (Arbeitsfassung vom 23.08.2016) Eingang finden sowie eine Absichtserklärung zur Weiterentwicklung des Kinder- und
Jugendhilfegesetze in Richtung Inklusion in der nächsten Legislaturperiode.
Die Verbände der Adoptiv- und Pflegefamilien setzen sich für eine Weiterentwicklung der Qualität in der Pflegekinderhilfe ein und sehen in dieser Legislaturperiode durchaus realisierbare
Reformen.
Stellungnahme des Runden Tisches vom November 2016
Einleitung
Die bundesweit sehr unterschiedliche Ausgestaltung von erzieherischen Hilfen ist seit langem bekannt. Insbesondere der Bereich der Vollzeitpflege ist davon stark betroffen. Das bezieht sich nicht
nur auf die materielle Ausstattung der Hilfen, sondern auch auf die Qualität in der Vorbereitung und Begleitung der Pflegefamilien. Das Dialogforum Pflegekinderhilfe, in dem auch der Runde Tisch
der Adoptiv- und Pflegefamilienverbände vertreten ist, beschäftigte sich intensiv mit vielen Fragestellungen im Kontext von Pflegekindern und ihren Familien.
An das BMFSFJ gibt es aber noch andere Forderungen: „Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe sollen keine Leistungserweiterung und keine damit verbundene Kostenerhöhung
einhergehen.“ Aber Qualitätsentwicklung zum Null-Tarif kann nicht gelingen.
Aktuell gibt es eine Vielzahl von Stellungnahmen zu Reformmöglichkeiten in der Kinder- und Jugendhilfe. Es zeichnet sich ab, dass die im Spätsommer diskutierten Arbeitsentwürfe eine umfassende
Überarbeitung erfahren werden.
Die Verbände der Adoptiv- und Pflegefamilien setzen sich für eine Weiterentwicklung der Qualität in der Pflegekinderhilfe ein. In dieser Legislaturperiode sehen wir durchaus realisierbare
Reformen. Folgende Themen gehören u.E. dazu:
Ombudsstellen (§ 9a)
In mehreren Bundesländern wurden bereits Ombudsstellen in freier Trägerschaft eingerichtet, die Leistungsempfänger beraten und bei der Realisierung ihres Leistungsanspruches gegenüber der
Jugendhilfe unterstützen. Eine Finanzierungsverpflichtung von Ombudsstellen in allen Bundesländern halten wir für erforderlich.
Beratungsanspruch junger Menschen
Wir unterstützen die Streichung der Bedingung in § 8 Absatz 3 („wenn die Beratung auf Grund einer Not- und Konfliktlage erforderlich ist“). Es wird für Kinder und Jugendliche somit (auch
wenn sie in Pflegefamilien oder Heimeinrichtungen leben) einfacher, Beratung unabhängig vom Sorgeberechtigten zu bekommen.
Unterkunft im Rahmen von Jugendsozialarbeit (§ 13 Absatz
3)
Die Unterbringung in einer sozialpädagogisch begleiteten Wohnform während der Ausbildungs- oder Schulzeit (nach § 13 Absatz 3 SGB VIII), kann eine erzieherische Hilfe in Vollzeitpflege nicht
ablösen oder ersetzen. Im Rahmen von Hilfeplanung muss die Kombination von Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege und Unterbringung nach § 13 Absatz 3 erfolgen.
Nicht selten passiert es, dass Pflegekinder zur vorbereitenden Berufsbildung derartige Angebote als „Verselbstständigungsangebot“ erhalten, ohne umfassend auf die Folgen (z.B. Beendigung der HzE
nach § 33 SGB VIII) hingewiesen zu werden.
Hilfeplanung
Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an der Hilfeplanung, die sie selbst betrifft, halten wir für zwingend erforderlich. Diese hat in einer für das Kind angemessenen und wahrnehmbaren
Form zu erfolgen.
Bei Hilfen außerhalb des Elternhauses halten wir es für zwingend erforderlich, dass schon ab dem ersten Hilfeplan eine Festlegung der Zielstellung – befristete Hilfe oder neuer Lebensort –
erfolgt und dies auch über die Kinder- und Jugendhilfestatistik erfasst wird. Wir schließen nicht aus, dass es im Verlauf von Hilfen auch Änderungen der Lebensperspektive geben kann.
Dokumentarisch nachvollziehbar sind diese Änderungen aber nur, wenn die prognostische Dauer von Beginn an erfasst wird.
Im Rahmen der Hilfeplanung sind interdisziplinäre Expertisen einzubeziehen. Die schriftliche Dokumentation des Hilfeplangespräches und der Hilfeplan als Verwaltungsakt sind den Betroffenen,
inklusive des „Leistungserbringers“, nach einer verwaltungsüblichen Zeit (maximal 6 Wochen) zur Verfügung zu stellen. Im Hilfeplan ist der Zusammenhang von Hilfebedarf und Hilfeart erkennbar
darzulegen.
Bei Vollzeitpflege sind im Hilfeplan Umfang und Unterstützung der Eltern sowie Umfang der Beratung und Unterstützung der Pflegeeltern aufzunehmen.
Übergangsmanagement
Die verbindliche Durchführung eines Übergangsmanagements mit dem 17. Lebensjahr (vgl. § 36f Arbeitsfassung vom 23.08.2016) halten wir für unverzichtbar und weisen darauf hin, dass die Hilfe
für junge Volljährige eine Regelleistung ist.
Beratung und Unterstützung der
Pflegeperson, örtliche Prüfung, Zusammenarbeit
Die im Arbeitsentwurf vom 23.08.2016 enthaltenen Formulierungen zu den §§ 37 und 37a unterstützen wir. Wir begrüßen das Recht auf Beratung für Eltern, deren Kinder in Pflegefamilien leben.
Leistungen zum Unterhalt
Wenn Pflegeverhältnisse zuständigkeitshalber wechseln besteht regelmäßig die Gefahr, dass der Betrag für die Erziehungsleistung ohne Veränderungen im Bedarf an die niedrigeren Sätze vor Ort
angepasst wird. Im bisherigen Arbeitsentwurf ist die Formulierung „…soll sich die Höhe des zu gewährenden Pauschalbetrages nach den Verhältnissen richten, die am Ort der Pflegestelle gelten.“
beibehalten worden. Zahlreiche Verfahren vor den Verwaltungsgerichten zeigen dieses Problem auf. Hier wünschen wir uns eine deutlichere Formulierung, die der Sicherung der Hilfekontinuität dient.
Leistungen für junge Volljährige (§ 41)
Junge Volljährige haben einen Anspruch auf Fortsetzung geeigneter und notwendiger Leistungen zur Persönlichkeitsentwicklung. Wir schließen uns diesbezüglich den Stellungnahmen des Care Leaver
Netzwerkes sowie der AGJ vom 29.09.2016 an.
Jugendhilfeausschuss, Landesjugendhilfeausschuss
Die Ergänzung im § 71 Absatz 5 („…., insbesondere auch von selbstorganisierten Zusammenschlüssen von jungen Menschen und ihren Familien, die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe erhalten,
oder von Pflegepersonen.“) begrüßen wir.
Kinder- und Jugendhilfestatistik
Im Paragraf zur Kinder- und Jugendhilfestatistik vermissen wir folgende Erhebungsmerkmale:
Anzahl der Pflegefamilien
Unterscheidung bei vollstationären Leistungen und Vollzeitpflege nach der Zielstellung „neuer Lebensort“, „befristete Hilfe“ oder Bereitschaftspflege
Anzahl vorangegangener Inobhutnahmen pro Kind. (Bisher gibt es keine konkreten validierbaren Aussagen darüber. Oft sind allerdings sowohl Heimeinrichtungen als auch Pflegefamilien
aufgefallen, dass sich Bereitschaftsunterbringun-gen für einzelne Kinder wiederholen.)
Anerkannte Schwerbehinderung (GdB) bei den Merkmalen der Kinder, für die Hilfe zur Erziehung geleistet wird. (Bisher werden in der Kinder- und Jugendhilfestatistik Merkmale erfasst, die
Entwicklungs- und Teilhabechancen erschweren, zum Beispiel sozioökonomische Fakten wie soziale Transferleistungen, Migrationshintergrund, u.a. Das Vorliegen einer anerkannten Behinderung sehen
wir als ein ebensolches Merkmal an.)
In einer Stellungnahme verweist der Runde Tisch der Adoptiv- und Pflegefamilienverbände auf die Probleme bei der Regulierung von Schäden, die durch Pflegekinder verursacht
wurden
Stellungnahme
Die Absicherung von Schäden, die durch Pflegekinder verursacht werden, ist sehr mangelhaft. Die Haftpflichtversicherung basiert auf den Regelungen zum Schadenersatz sowie zur Haftpflicht (BGB
§§ 823, 828 und 832). Das bedeutet, dass entweder die Deliktfähigkeit des Schadenverursachers gegeben sein muss oder eine Verletzung der Aufsichtspflicht vorliegt. In den aktuell angebotenen
Haftpflichtversicherungen für Pflegekinder wird jedoch regel-mäßig auf dieses Ausschlusskriterium hingewiesen. So heißt es in den Arbeitspapieren des LVR: „Eine Haftpflichtversicherung wird von
vielen Jugendämtern für Schäden, die das Pflegekind Dritten zufügt, in Form so genannter Sammelversicherungen für Pflegekinder abgeschlossen. Diese erfassen … jedoch regelmäßig nur solche
Schäden, die durch ein bereits deliktfähiges Kind (Vollendung des siebten Lebensjahres) verursacht werden.“
Eine andere Versicherung schreibt: „…Wir versichern gesetzliche Haftpflichtansprüche nach dem BGB, ….“ Mit der Formulierung „gesetzliche Haftpflichtansprüche“ ist, ohne es zu betonen natürlich
ebenfalls der Bezug auf die Deliktfähigkeit hergestellt.
Außerhalb der Pflegefamilie
Nach außen, also zu Personen außerhalb der Pflegefamilie, können für deliktfähige Pflegekinder Schäden über die private Haftpflichtversicherung übernommen werden. Sind die Pflegekinder nicht
deliktfähig, ist gesetzlich nur über eine Verletzung der Aufsichtspflicht eine Regulierung über die Versicherung möglich. Allerdings muss man bei dieser Konstellation mit bedenken, dass eine
Verletzung der Aufsichtspflicht immer auch die Frage aufwirft, ob die Pflegeeltern ihrer Aufgabe gewachsen sind.
Gleichzeitig gilt es zu bedenken, dass jede Versicherungsgesellschaft das Recht hat zu prüfen, ob die Haftpflichtforderung zu Recht besteht. Für Schäden, die aus Vorsatz oder mutwillig begangen
wurden, kann jede Versicherungsgesellschaft die Schadensregulierung ablehnen.
Wenn die Versicherung mitteilt, dass kein Haftpflichtanspruch vorliegt aber der Schaden trotzdem eingetreten ist, sind es meist die Pflegeeltern, die im Sinne des Erhalts guter
nachbarschaftlicher, schulischer, …oder freund-schaftlicher Beziehungen den Schaden begleichen. Folgendes Zitat belegt die Situation von Pflegeeltern: „Ich möchte zu bedenken geben, dass unsere
Aufgabe als Pflegeeltern darin besteht, Paul in einer normalen und positiven Umgebung aufwachsen zu lassen. Daher ist es unmöglich, den Nachbarn etwas in der Art zu sagen wie: „Tja, Pech gehabt,
Paul ist leider noch zu klein. Sieh’ zu, wo du dein Geld herbekommst“.
Weiterhin ist es wichtig zu wissen, dass Schäden, die mit motorisierten Fahrzeugen begangen werden, ebenfalls nicht unter die Haftpflicht fallen, da das Fahrzeug selbst haftpflichtversichert ist.
Die Autohaftpflichtversicherer haben ebenso die Möglichkeit, die Regulierung von Schäden teilweise oder vollständig abzulehnen – und wenn sie die Schadensregulierung übernehmen, bleibt beim
Fahrzeughalter – also meist den Pflegeeltern – die Hochstufung der Versicherung oder eine zivilrechtliche Schadenersatzklage der Auto-Versicherung an das jugendliche Pflegekind. Und diese ist
wiederum nicht über die Private Haftpflichtversicherung regulierbar.
Schäden innerhalb der Pflegefamilie
Einige Versicherungen bieten Versicherungsschutz im Binnenverhältnis an. Schädigt das Pflegekind Gegenstände der Pflegeeltern, haben diese zunächst einen Anspruch gegen das Pflegekind selbst, der
unter bestimmten Be-dingungen von der Versicherung übernommen wird, jedoch nicht, wenn es unter 7 Jahren alt ist oder wenn es unter 18 Jahren alt ist und ihm die nötige Einsichtsfähigkeit fehlt.
Verneint die Versicherung einen Haftpflichtfall, haben Pflegeeltern die Möglichkeit, die Schäden aus eigener Tasche zu bezahlen oder zivilrechtlich ihr Pflegekind zu verklagen2.
Schadenersatzansprüche können die Zukunftsperspektiven von Kindern belasten oder sogar konträr zur Hilfezielstellung wirken.
Es gibt Pflegekinder, die beeinträchtigt sind und hochgradig aufgeregt und exzessiv reagieren können. Wenn so ein Kind extrem sauer ist und z.B. im Haus und Hof Feuer macht, dann verlieren die
Pflegeeltern viel oder alles. Sie könnten notfalls vor dem Ruin stehen. Nach den Regularien der Versicherungen sind eben genau diese Schadensfälle nicht versicherbar.
Pflegefamilie sein – ein unkalkulierbares
Risiko?
Wie kann einer Pflegefamilie geholfen werden, die durch eine Handlung/Tat ihres Pflegekindes einen Schaden an Leib, Leben oder/und Vermögen erleidet? Kann es wirklich damit getan sein
hinzunehmen, dass sie in der Erfüllung einer gesellschaftlichen Aufgabe allein steht und nichts zu erwarten hat?
...........................................
Sie finden die Stellungnahme mit dem Briefkopf des Runden Tisches als pdf-Datei hier im Anhang
Gastfamilien
als differenziertes Angebot der Vollzeitpflege für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge
Erfordernisse aus der Perspektive der Pflegefamilienverbände
Der Runde Tisch der Adoptiv- und Pflegefamilienverbände begrüßt die Idee, unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen Familien als Orte zur Sozialisation in eine fremde Kultur und Gesellschaft anzubieten. Wir halten den Begriff Gastfamilie für sehr unbestimmt und fordern
ein eindeutiges Bekenntnis, dies als eine Hilfe zur Erziehung nach § 33 zu installieren. Eine unmittelbare Ankoppelung an „ehrenamtliches Engagement in der Flüchtlingshilfe“, mit dem damit
verbundenen Gedanken der finanziellen Entlastung der Kommunen, halten wir für ein falsches Signal.
Jugendliche und Kinder haben einen Anspruch auf Förderung ihrer Entwicklung und auf Erziehung (vgl. § 1 SGB
VIII). Dieses Recht gilt auch für ausländische Kinder und ausländische Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland kommen (vgl. § 42 Absatz 1 Nr. 3). Sie brauchen für ihre rechtliche Vertretung
einen Vormund. Dieser ist dafür verantwortlich, dass der Wille des jungen Menschen im Unterbringungsprozess beachtet wird.
Familien, die einem jungen Menschen aus einer anderen Kultur nach der Flucht in ihrer Familie einen neuen
Lebensort bieten, brauchen professionelle Vorbereitung, Unterstützung und Begleitung.
Vorbereitung von Familien für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge
Familien, die sich für so eine verantwortungsvolle Aufgabe zur Verfügung stellen, haben das Recht auf eine
solide Vorbereitung, wie sie alle Pflegefamilien erhalten. Dabei sehen wir durchaus die zeitliche Problematik und befürworten eine begleitende Qualifizierung.
Flucht und Traumatisierung sollten ein zusätzliches Thema in der Vorbereitung und Qualifizierung von
Gastfamilien sein. Weiterhin brauchen diese Familien eine erhöhte Sensibilität für kulturelle Unterschiede und die Fähigkeit sich auf diese einzulassen. Es gibt bedeutsame Unterschiede in den
Normen und Werten von „Ich“- und „Wir“ Gesellschaften. Dieses müssen Gastfamilien nicht nur wissen, sondern auch die Kompetenz haben, sich darauf einzulassen.
Asyl- und ausländerrechtliche Regelungen haben nicht nur Auswirkungen für unbegleitete minderjährige
Flüchtlinge, sie können auch ihre Auswirkungen auf die ganze Familie entfalten. Gastfamilien brauchen einen Überblick, was sie besonders beachten müssen.
Unterstützung und Begleitung von Gastfamilien
Die Unterstützung und Begleitung dieser Familien sollte sich quantitativ an den Pflegefamilien für
besonders entwicklungsbeeinträchtigte Kinder orientieren. Zusätzlich zu den Themen, die auch andere Pflegefamilien haben, kommen kulturspezifische Themen, Sprach- und Übersetzungsthemen und nicht
zuletzt noch rechtliche Themen dazu. Die Gasteltern brauchen Supervisionsangebote sowie die Möglichkeit, sich in Kleingruppen auszutauschen. Auch die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge
benötigen – zusätzlich zu ihrem Lebensort in einer Familie – Gruppenangebote.
Für alle rechtlichen Fragen muss das Unterstützungsnetzwerk kompetente Ansprechpartner kennen und dahin
weiterverweisen können. Auch für Schule, Ausbildung oder Therapie muss es kompetente Ansprechpartner geben.
Auch unbegleitete Minderjährige werden eines Tages volljährig. Da ein sehr großer Teil schon Jugendliche
sind, kann dies sehr schnell gehen. Die Übergänge in andere Hilfeformen oder zu anderen Lebensorten müssen vom ersten Tag mitgedacht werden. Familie ist etwas anderes als eine Organisation.
Zwingend ist, schon vorab Zeit und Raum für Rituale des Verabschiedens einzuplanen.
Lernen aus der Praxis für die Praxis
Die Unterbringung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen sollte dringend wissenschaftlich begleitet
werden. Das professionelle Helfersystem, die Pflegekinderhilfe, kann aus diesem Projekt der Unterbringung junger Flüchtlinge in Gastfamilien viel lernen.
Kontinuität und Sicherheit für Pflegekinder
Der Runde Tisch der Pflege- und Adoptivfamilienverbände hat eine Stellungnahme zur notwendigen Kontinuität von Pflegekindern in ihren Pflegefamilien erarbeitet.
Stellungnahme
Der runde Tisch der Pflege- und Adoptivfamilienverbände begrüßt das Engagement der Familienministerin, das Recht der Pflegekinder auf Ihren Lebensort in ihrer sozialen Familie zu stärken. „Wirkt
eine Rückkehr in die Herkunftsfamilie nicht mehr als Heimkehr, sondern als Trennung einer nunmehr zu den Pflegeeltern hergestellten Eltern-Kind-Bindung, dann müssen wir diese Bindung schützen.“
(Siehe Spiegel 33/2014 Seite 20) Seit vielen Jahren engagieren sich Pflegefamilienverbände sowie bedeutende Wissenschaftler und Praktiker, um der besonderen Situation von Pflegekindern in
juristischen Verfahren besser gerecht zu werden.
Der Deutsche Familiengerichtstag e.V. fordert schon seit langem eine rechtliche Absicherung von Dauerpflegeverhältnissen. Die Sicherung von Beziehungskontinuität durch Einführung einer
zivilrechtlichen Absicherung (analog zum § 37 SGB VIII) der auf Dauer angelegten Lebensperspektive wird insbesondere von Prof Dr. Ludwig Salgo schon lange thematisiert. Aktuell ist es aber
immer noch so, dass das „Elternrecht“ aus Artikel 6 des Grundgesetzes „(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht.“ zu
wenig als Elternverantwortung wahrgenommen wird. Die eigentlich gewollte Ausrichtung auf Schutz und Förderung des Kindes wird so gelegentlich leider noch auf „Blutsverwandtschaftlichkeit“
reduziert und das Kind wird zum Objekt von Rechtsstreitigkeiten.
Kinder sind Grundrechtsträger (BVerfGE 55,171 ff). Gemäß Artikel 3 der UN Kinderrechtskonvention und Artikel 24 der Europäischen Charta für Grundrechte ist bei allen Maßnahmen das Kindeswohl
vorrangig zu berücksichtigen. Auch die Kinderkommission des Bundestages stellt in ihrer Pressemitteilung zum Weltkindertag fest, dass auch in Deutschland die Rechte von Kindern in der
Gesetzgebung tiefer zu verankern sind.
Wir fordern: Pflegekinder brauchen eine rechtliche Absicherung des dauerhaften Verbleibens in ihrer sozialen Familie, unabhängig davon, ob nach Jahren die Erziehungsfähigkeit ihrer Eltern
sich verändert hat.
Immer noch werden in juristischen Verfahren zu Umgangskontakten Pflegekinder mit ihrem Bedarf auf emotionale Sicherheit als Basis für eine förderliche Entwicklung nicht ernstgenommen.
Pflegekinder sind
keine Scheidungskinder. Eine Generalvermutung der Kindeswohldienlichkeit von Kontakten mit ihren Eltern ist bei Pflegekindern nicht anzusetzen. Jede Umgangsentscheidung muss sich an den
besonderen Bedingungen jedes Pflegekindes orientieren. Pflegekinder haben ein Recht auf Kenntnis ihrer biologischen Wurzeln, aber daraus resultiert nicht automatisch die Pflicht, die Wünsche
ihrer Eltern nach Umgangskontakten zu befriedigen.
Wir fordern: Pflegekinder brauchen in ihren sozialen Familien emotionale Sicherheit. Umgangsentscheidungen müssen sich immer an den aktuellen Entwicklungsbedürfnissen jedes einzelnen
Pflegekindes orientieren
Aus aktuellem Anlass weist CAPE darauf hin, dass alle Versicherungen, egal ob Binnenhaftpflicht, Privathaftpflicht, oder über Jugendämter haftpflichtversichert, die Begleichung
von Schäden ablehnen, die von deliktfähigen Pflegekinder "absichtlich" herbeigeführt werden. Auch von den Jugendämtern können solche Schäden nicht übernommen werden
(s.CAPE-MagazinAusgabe Juli 2014 ).
Als politische Vertretung aller Pflege- und Adoptivkinder und ihrer Familien formulierte der Runde Tisch darin wichtige Veränderungsbedarfe in der Pflegekinderhilfe und zeigte Möglichkeiten zur
Verbesserung auf.
Für den Deutschen Kinder- und Jugendhilfetag 2014 in Berlin plant das Gremium mit einem gemeinsamen Messestand für seine Positionen zu werben und einen Workshop unter dem Titel "Pflegefamilie,
wohin gehst du?" mit unterschiedlichen Inputs anzubieten, um mit Verantwortlichen aus Politik und von Trägern öffentlicher und freier Jugendhilfe ins Gespräch zu kommen.
Das nächste Treffen des Runden Tisches wird im Februar 2014 stattfinden.
Drittes Treffen der Adoptiv- und Pflegeelternverbände
Bereits zum dritten Mal tagte am 16. Februar 2013 der "Runde Tisch der landesübergreifenden Pflege- und Adoptivfamilienverbände". Die Vertreterinnen und
Vertreter der Bundesarbeitsgemeinschaft Kinder in Adoptiv- und Pflegefamilien, der Agenda Pflegefamilien, des Bundesverbandes behinderter Pflegekinder und des PFAD Bundesverbandes der Pflege-
und Adoptivfamilien erarbeiteten ein gemeinsames Positionspapier, das demnächst veröffentlicht wird.
Erste gemeinsame Stellungnahme des 'Runden Tisches der Pflege- und Adoptivfamilienverbände'
Zum Runden Tisch der Pflege- und Adoptivfamilienverbände gehören:
1. PFAD-Bv e.V.
2. AgendaPflegefamilien
3. BAG-KiAP e.V.
4. Bundesverband für behinderte Pflegekinder e.V.
Alle Verbände haben in dieser Stellungnahme ihre gemeinsame Sichtweise des Pflegekinderwesens in der Praxis beschrieben und sich auf Forderungen zur Verbesserung der Pflegekinderhilfe
geeinigt.
Diese Stellungnahme soll nun den Politikern und öffentlichen und freien Trägern der Jugendhilfe übergeben werden.